Endlich Ferien! Die ersten Monate im Jahr waren super anstrengend und statt weniger zu arbeiten, war einfach viel mehr auf dem Tablet als sonst. Die Sommerferien sind gerade vorbei, die meisten Kollegen hatten schon Urlaub, ich schleppe mich von einem Tag zum nächsten und sehne mich nach Natur und Ruhe.
Es war eigentlich der Plan, mit Freunden nach Österreich in die Alpen zu reisen und dort eine Hüttentour zu machen. Irgendwie eine schlechte Idee mit Corona und den bekannten Bettenlagern. Und so entsteht ziemlich spontan die Idee, in die vermeintlich ruhigeren Gebiete der Hohen Tatra im Grenzgebiet von Polen und der Slowakei zu fahren und dort die Berge auszukosten. Meine Reiselust wird durch eine Doku im Fernsehen enorm angefeuert und irgendwie klingt die Region sehr verlockend.
Kletterei zur Gerlachspitze
Gleich am ersten Tag haben wir uns die Gerlachspitze (Gerlachovský štit) vorgenommen. Manch einer aus unserer Gruppe verdreht die Augen; gleich nach der langen Anfahrt am nächsten Morgen um 5:30 Uhr am Treffpunkt mit den Bergführern zu stehen. Auch ist es vielleicht taktisch nicht so klug, mit noch „kalten“ Beinen in die Berge einzusteigen. Der Muskelkater wird uns am Ende zwar die nächsten Tage begleiten, aber der Einstieg in die Region wird mit der Gerlachspitze ein voller Motivationserfolg. Unsere beiden Bergführer Ivan und Peter erwarten uns schon. Am Morgen sind sie noch etwas wortkarg, bald aber als wir dann die ersten Höhenmeter hinter uns haben, fangen sie an, uns jeden Berg und jede Route vorzubeten, die man hier so gehen kann. Da es unser erster Tag ist und uns noch etwas die Orientierung fehlt, fällt es uns schwer bei allem zu folgen. Dafür folgen wir trotz gewisser Frische am Morgen hoch motiviert den beiden von der Hütte Sliezky Dom zum Einstieg in die Kletterpassage zum Gipfel. Es ist eher einfache Kletterei, aber durch die Länge und die vielen Höhenmeter anspruchsvoll und kräftezehrend.
Als wir auf dem ersten Kamm ankommen und ihn queren, treten wir in einen Nebelvorhang und mein erster Gedanke ist, ob wir vom Gipfel überhaupt etwas sehen werden. Aber schon bald lichtet sich der Nebel wieder und wir haben freien Blick nach unten. Höhenangst ist auf der Tour nicht zu empfehlen. Schon die ganze Tour sind wir nicht alleine. In der Slowakei darf man abseits der Wanderwege nur mit Bergführer unterwegs sein und ich finde das sehr sinnvoll, denn trotz der Beliebtheit und den vielleicht 50 bis 100 Menschen am Tag, ist die Tour nicht zu unterschätzen. Und so zieren viele kleine Seilschaften den Weg nach oben.
Am Gipfel der Gerlachspitze ist es ziemlich eng und da jeder ein Bild mit dem exponierten Gipfelkreuz haben möchte, stehen wir Schlange. Naja, zumindest ist es hier nur punktuell voll und ein Plätzchen für die Brotzeit ist schnell gefunden. Ob es an den Anstrengungen des Aufstiegs oder an der Aussicht liegt, dass das Essen gut schmeckt, weiß ich nicht, aber die Energie werde ich noch für den Abstieg brauchen. Gefühlt steiler und einen klettertechnischen Zacken schärfer geht es nach der Stärkung auf der östlichen Bergseite wieder nach unten. Teilweise sind die Kletterpassagen mit Stiften und Bügeln gesichert, die aber ungemütlich wackeln. Hier muss dringend nachgebessert werden. Ob der Bergführer einen Ausrutscher unsererseits trotz Sicherung halten würde? Wir sind uns auch Tage später nicht einig. Daher steigen wir langsam und vorsichtig ab. Mit jedem Meter schwindet aber auch die Kraft und muss durch Konzentration ausgeglichen werden. Als wir endlich unten sind und unser Weg die Magistrale, einen mehr oder weniger mit Natursteinen gepflasterten Wanderweg quer durch die Hohe Tatra erreichen, ist selbst das geradeaus gehen anstrengend. Dazu kommt die Nachmittagssonne, die nun unermüdlich auf unsere Köpfe brennt.
Zurück in der Hütte lassen wir die Beine etwas Kraft tanken und füllen mit einem kühlen Getränk die angekratzten Flüssigkeitsreserven wieder auf. Den Muskelkater der nächsten Tage kann ich mir schon gut vorstellen.
Beine hoch legen?
Die nächsten Tage lassen wir erstmal ruhig angehen und regenerieren die Beine mit kleineren Spaziergängen und Wanderungen. Alles im Sinne der nächsten Tour auf den Kôprovský štit. Er wurde uns von den Bergführern empfohlen und mit einsam beworben. Schon am Parkplatz am Bahnhof Popradské Pleso in der Nähe von Štrbské Pleso sind wir definitiv nicht alleine. Die Blechlawine geparkter Autos ist enorm. Zum Glück verteilen sich die Menschen über die Weite und laufen dennoch in eine Richtung. Wir machen einen kurzen Abstecher zur Gedenkstätte für die in der Hohen Tatra gestorbenen Bergsteiger und holen uns und eine Portion Respekt vor den Bergen ab.
Danach geht es weiter in Richtung Kôprovský štit und Rysy. Der Rysy ist der höchste Berg Polens und auch von der Slowakei aus erreichbar. Daher ist der Weg entsprechend voll. Aber als sich der Weg trennt und unser Weg immer noch stark belaufen ist, stellt sich irgendwie die Frage, wie die Bergführer es geschafft haben „alleine“ auf dem Kôprovský štit zu sein.
Am Bergsee Vel’ke Hincovo Pleso legen wir eine kurze Pause ein und warten aufeinander. Unsere Gruppe hat sich mittlerweile stark gestreckt. Mit frischer Energie gehen wir die letzte Etappe an und steigen aus dem Talkessel auf den Grat und dann noch mal 30 Minuten auf den Gipfel auf. Es ist teilweise schwer, einen eigenen Rhythmus zu finden, da entweder jemand von unten überholt oder man vor sich eine Gruppe hat. Auch wenn wir nicht alleine auf dem Gipfel sind und es wirklich nicht einfach ist einen schönen und bequemen Platz auf dem zerklüfteten Terrain zu bekommen, so ist die Aussicht und der Blick über die Hohe Tatra ausgezeichnet. Von hier oben können wir auf den Grenzbergkamm zwischen Polen und der Slowakei blicken und auch weit in die Berge in beide Richtungen die Augen schweifen lassen. Auf so manch einer Spitze sehen wir kleine Punktegruppen und sind wirklich geflasht, wie beliebt dieses Gebiet doch ist und wie viele Menschen es zu kraftraubenden Tagesausflügen und aktuell weniger Mehrtagesausflügen hierherzieht.
An der Hütte Majláthova chata am glassklaren Popradské pleso kehren wir beim Abstieg ein und gönnen uns ein Bier. Der Tag war so heiß, dass meine fast vier Liter Wasser aufgebraucht sind und ich dringend eine Erfrischung brauche. Die letzten Meter zurück zum Auto gehen die Beine schon fast alleine. Natürlich lockt auch das Abendessen mit lokaler und deftiger Küche in einem Restaurant in Tatranská Lomnica. Den letzten Abend in der Slowakei lassen wir schön ausklingen und resümieren die wenigen Tage hier sehr positiv und mit viel mehr Wanderpotential.
Am nächsten Morgen fahren wir in die „Winterhauptstadt Polens“. Zakopane liegt nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt, ist aber nur über einen weiten Bogen um die Hohe Tatra herum zu erreichen und auch gleich eine ganz andere Welt , wie wir augenblicklich feststellen müssen. Wir sind schneller wieder zurück in der Slowakei als wir uns vorstellen können. Aber das ist eine andere Geschichte.
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