Mein Zug schlängelt sich die letzten Kilometer meiner Fahrt durch das Rheintal. Hinter Bäumen taucht der Rhein immer wieder auf. Ich halte meine Kamera ans Fenster und schon ist er wieder weg. Nicht so schlimm, denke ich mir; ich werde die nächsten drei Tage ausreichend Zeit haben, den Rhein zu genießen: zu Fuß, kulinarisch, kulturell und historisch. Anstrengende, aber zugleich entspannende drei Tage auf dem Rheinsteig liegen vor mir.
Rheinluft schnuppern
Die etwas verzerrte Stimme im Zug kündigt mir meinen Startpunkt für meinen Ausflug an den Rheinsteig an: Linz. Jetzt müssen die Wanderschuhe gleich zeigen, was sie können. Sie sind neu, ungewohnt und drückt hier nicht noch was? Etwas paranoid nehme ich jedes Zwicken wahr. Dabei passt der Schuh wie angegossen.
Am Bahnsteig erwartet mich meine Begleitung für den ersten Tag. Frank kennt den Rheinsteig in- und auswendig. Dabei sind 320 Kilometer schon eine ganz schöne Hausnummer. Mich erwarten „nur“ 50 Kilometer in einer wundervollen Region voller Weinberge und mit langer Geschichte.
Frank führt mich durch die Altstadt von Linz. Am Morgen liegt die Stadt noch etwas verschlafen am Rheinufer. Die alten Fachwerkhäuser scheinen sich gegenseitig in Schönheit und Größe übertrumpfen zu wollen. Wie mir Frank aber verrät, schmücken die Linzer gerne ihre Geschichten aus und flunkern auch gerne mal. Als wir durch die engen, gepflasterten Gassen laufen, sieht man hinter einer Hausecke plötzlich nichts. Die Fassade ist doch tatsächlich größer als das Haus dahinter.
Vor dem Rathaus richtet Frank noch schnell die Ratsherren aus. Als bronzene Figuren auf dem Ratsherrenbrunnen müssen sie das machen, was das Volk möchte. Heute scheint das Volk zum Rock-Roll einzuladen oder soll doch stattdessen jemand in den Brunnen springen?
Wir treffen einige Meter weiter auf den Rheinsteig und folgen ihm auf den Kaiserberg. Der erste Gipfel ist geschafft und ein kleiner Vorgeschmack auf die Anstiege der nächsten Tage abgegriffen. Die ersten Meter haben sich dennoch schon gelohnt. Der Ausblick über die Stadt und das Rheintal sind phantastisch. Auf dem Rhein schieben sich langsam mehrere Frachtkähne in Richtung Koblenz, während die Autofähre sich elegant quer durch den Verkehr schlängelt.
Frank gibt mir einen kleinen Exkurs in die Geschichte. Im zweiten Weltkrieg überquerten die Amerikaner den Rhein in diesem Bereich. Ich bin erstaunt, wie gut die Städte erhalten sind und das sich die Fachwerkhäuser in Linz so gut gehalten haben. In der Ferne erspähe ich noch die Pfeiler der gesprengten Eisenbahnbrücke von Remagen.
Einige Kilometer weiter lassen wir uns auf einer Bank direkt über dem Rheinufer nieder. An dieser idyllischen Stelle am Rheinsteig packt Frank unseren Mittagssnack aus. Neben Käse und Wurst gibt es Wein aus dem Rheinland. Die Gläser sind etwas fehl am Platz, aber St. Goarhausen liegt auch am Rhein und so zählt eher der Genuss und die Aussicht über den Rhein und die „Goldene Meile“ auf der anderen Rheinseite.
Das Etappenziel Bad Hönnigen liegt noch 10 Kilometer entfernt und so brechen wir wieder auf. Kurz vor Bad Hönnigen kommen wir dann auch durch die ersten Weinberge in den drei Tagen. Von nun an werden Reben und Trauben uns den Weg geleiten, auch wenn das heißt, Weinberge hoch und wieder runter laufen.
In Bad Hönnigen verabschiede ich mich von Frank und quere den Rhein nach Bad Breisig. Dort schlendere ich durch die kleine Altstadt und schaue den Händlern des historischen „Zwibbelsmaat“ (Ziebelmarkt) zu, wie sie ihre Stände für den Ansturm der Massen vorbereiten. Einen kleinen Snack lasse ich mir auch nicht entgehen. Am Rheinufer strecke ich nach dem langen Tag meine Beine von mir und freue mich auf die nächste Etappe.
Versteckte Burgen und Weinberge
Mich treibt es früh aus dem Bett. Zwar könnten die Römer jetzt auch noch etwas länger warten, aber mein Tag wird lang. In Rheinbrohl stolpere ich über den ersten Wachturm am Limes. Nicht weit davon entfernt werde ich von der Palisade der römischen Grenzlinie aufgehalten. Im Museum der Römerwelt mache ich kurz Halt und einen Ausflug in die römische Geschichte.
Heute folge ich ganz und gar meinem Schatten. Die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die Wolken und obwohl in ganz Deutschland Regen vermeldet wird, schwitze ich vor mich hin während ich durch die Weinberge wandere. Ich habe das Gefühl, die Orte werden mit jedem Kilometer malerischer. Aus irgendeinem Grund scheinen die Leute ihre alten Parkuhren zu mögen. Auch am zweiten Tag begegne ich einem alten Relikt aus der D-Mark-Zeit. Während die erste Parkuhr feinsäuberlich aus der Hecke freigeschnitten wird, so lacht die zweite in einem gelb-grau auf hölzernem Untergrund einem regelrecht entgegen.
Kurz vor der Rheinbrohler Lay begegne ich Don Quijote in Form eines Kunstwerkes. Immer wieder ist es nicht nur die Natur, die den Rheinsteig so interessant macht, sondern auch die Kunstwerke entlang des Weges. Ich nutze die Gunst der Stunde und lege mich auf einer Bank neben Don Quijote zum Mittagsschlaf.
Ein paar Wanderer wecken mich wieder, als sie fröhlich schwatzend an mir vorbei marschieren. Bis nach Leutesdorf habe ich noch einige Kilometer vor mir und so muss ich leider aufbrechen. Kurz nach meinem Abstieg nach Hammerstein erwartet mich auch schon wieder der Aufstieg. Belohnt werde ich mit der Ruine Hammerstein. Auf 195 Metern thront die ehemalige Reichsburg. In ihren unter Bäumen und Sträuchern überwachsenen Ruinen lässt sich nur schwer die Größe erahnen. Eine Entdeckungstour ist sie dennoch wert.
Von nun an geht es nur noch bergab. Fast. Nur noch den letzten Weinberg erklimmen. Am Ende des Pfades erwartet mich schon Leutesdorf. An der Edmundhütte treffe ich wieder auf eine Wandergruppe. Wir laufen uns schon seit Stunden über den Weg. Ich werde in die freundliche Weinrunde mit eingeladen und muss etwas aufpassen, dass ich den Berg noch runter komme. Denn unten wartet schon die Küche und die dort „gezauberten“ Gerichte des Leyscher Hofs auf mich. Schon an der Tür werde ich von der „nettesten Wirtin vom Mittelrhein“ mit Namen begrüßt. Ich werde also schon erwartet und ich freue mich auf das Essen. Der kulinarische Höhepunkt an diesem Tag!
Urige Wälder
Der letzte Tag am Rheinsteig wird nochmal hart. Von Leutesdorf über Altwied nach Rengsdorf. Die längste Etappe zum Schluss. Ein wenig drückt auch der Busfahrplan. Während es am Rhein entlang regelmäßig Züge gibt, so muss ich in Rengsdorf den Bus erwischen, um nach Hause zu kommen. Ein Tag mit einem großen Ziel.
Schon kurz nach Leutesdorf macht der Rheinsteig einen Schlenker weg vom Rhein. Durch urige Wälder und weite Wiesen führt die Etappe vorbei an Apfelplantagen, Wasserfällen und der Burg von Altwied.
Durch Zufall steht das Tor der Burg offen. Ich schlüpfe durch den Eingang in die Ruinen der Burg. Der Blick über den Ort lädt zum Verweilen ein. Umrahmt durch die Wälder auf der anderen Flussseite und dem Fluss selbst ist, der Ort auf seiner Halbinsel eine kleine mittelalterliche Oase. Eine gewisse Ruhe strömt durch den Ort.
Nur noch wenige Kilometer trennen meine Füße vom Ende der Wanderung. Langsam merke ich auch die vielen Höhenmeter in den Waden. Die Verlockung ist riesig, in Altwied die Beine einfach hoch zu legen und auf den Bus zu warten.
Ein Blick auf die Karte verrät mir, es liegt noch ein Wasserfall vor mir und gleich steigt die Motivation wieder. Auf zu den letzten Metern…
Auf Einladung des Rheinsteigs und Top Trails of Germany. Mit freundlicher Unterstützung von Lowa.
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