Man spricht über den Christkindlesmarkt, man touchiert die Geschichte, man spielt mit der Tradition und man kennt die Stadt von leckeren Würstchen: Nürnberg. Bisher ist Nürnberg dennoch etwas an mir vorbei gegangen. Einige Male war ich am Hauptbahnhof und bin umgestiegen. Aber mehr kannte ich von Nürnberg nicht. Das musste sich ändern! Ich begebe mich in eine wunderschöne Stadt mit tiefer Verbundenheit zur deutschen Geschichte.
Auf zu den Nürnbergern
Es ist ein schöner Samstag morgen. Ich stehe wohlgenährt um 6 Uhr am Bahnhof und halte mein „Schönes-Wochenende-Ticket“ in der Hand. Die Fahrt kann losgehen und das Tagesprogramm möchte geplant werden. Ich hole meinen veralteten Reiseführer aus der Tasche und stelle mit Erstaunen fest, dass sich die Informationen verwerten lassen. Die Altstadt von Nürnberg verändert sich nicht so schnell wie Afrika. Am Fenster flattert die Landschaft des Vogtlandes vorbei, über hohe Brücken und schöne Täler fährt mich die Bahn in Richtung Nürnberg. Langsam wird mir klar: ich habe Nürnberg unterschätzt. Es gibt einfach ein so breites Spektrum an Museen, an Sehenswürdigkeiten und die Distanzen sind nicht mehr zu Fuß zu schaffen. Jetzt ist es zu spät und ich muss mir ein Paar Highlights heraussuchen. Mein Bahn-Ticket lässt sich auch im städtischen Verkehr einsetzten und so nehme ich mir als erstes das Dokumentationszentrum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände vor. Es liegt etwa 10 Minuten mit der Straßenbahn vom Hauptbahnhof entfernt und lässt sich gut erreichen.
Die neuere Geschichte
Mein Ausflug auf den Spuren deutscher Geschichte beginnt zu Beginn des 20. Jahrhundert. Im Doku-Zentrum werde ich von abgedunkelten Räumen und wohl-inszenierten Schaubildern und Filmen empfangen, die das dunkle Kapitel deutscher Geschichte beleuchten.
Der enge Verbund der Geschichte mit der Stadt Nürnberg steht dabei im Mittelpunkt. In chronologischer Reihenfolge wird der Besucher durch die Geschichte des Nationalsozialismus geführt vom Ursprung der Idiologie, über die Umsetzungen bis hin zu den Auswirkungen und den schaurigen Exzessen bleibt kein Thema unberührt. Immer wieder fällt auch das Licht auf die Inszenierungen und Volksaufmärsche auf dem Reichsparteitagsgelände. Neben Architektur und Symbolik taucht die Ausstellung in Zeitzeugenberichte ein und stellt beeindruckend die Propagandamittel der NS-Herrschaft dar. Die Ausstellung endet symbolisch am Ende im Licht. Ein riesiger Pfahl durchbohrt das Doku-Zentrum und man geht nochmal durch einen dunklen Gang, bevor man das Gebäude wieder verlässt.
Die Ausmaße der Architektur der Kongresshalle sind schon außergewöhnlich, aber was sich auf dem gesamten Gelände vor mir erstreckt ist Wahnsinn.
Ich gebe schnell auf und begnüge mich mit einem kleinen Abstecher in den Luitpoldhain, der Aufmarschfläche der Reichsparteitage. Heute ist er wieder ein Park und lädt zum Erholen ein.
Tipp: Das Dokumentationszentrum gehört zu den Museen der Stadt Nürnberg und das Tagesticket (5€ Eintritt + 2,5€ Aufpreis für das Tagesticket) ist in weiteren Museen der Stadt gültig.
Das Experiment
Zurück am Hauptbahnhof stürze ich mich in die andere Geschichte Nürnbergs. Für diesen Tagesausflug habe ich mir was besonderes überlegt. Um meinen Zeitplan so individuell und flexibel zu belassen, wie ich es mag, aber dennoch viel über die Stadt zu lernen, ohne aufwändig im Reiseführer zu blättern, habe ich mich für einen Audio-Guide entschieden. Für mich ein Experiment und mal was anderes. Ich bin im Internet fündig geworden und halte mit meinem Smartphone den Schlüssel in der Hand (Auf eigene Faust in Nürnberg). Der eigene Guide hat für mich den Vorteil, Abstecher zu machen, Museen zu besuchen und einfach mal an einem Ort niederlassen, ohne an eine Gruppe gebunden zu sein. Auch bietet mir mein Handy die Möglichkeit, mich durch die Gassen zu den Sehenswürdigkeiten führen zu lassen und so beginne ich meine Tour am Handwerkerhof, gleich gegenüber vom Bahnhof.
Der Stadtrundgang
Mit dem Audio-Guide im Ohr beginne ich meinen Stadtrundgang in der Altstadt. Der Handwerkerhof, mein erster Stopp, überwältigt mich sofort mit den schönen Fachwerkhäusern. Aber entgegen meiner ersten Annahme ist das Gebäudeensemble nicht älter als 50 Jahre. Für mich ist es aber der Schritt hinter die Stadtmauer, die sich fünf Kilometer um die Stadt windet. Die Mauthalle hingegen ist 10 Mal älter. Die mittelalterliche Baukunst fasziniert mich und hier zeigt sich die herausragende Stellung Nürnbergs im Mittelalter. Die Größe des Gebäudes mit seinen drei Stockwerken und fünf Dachgeschossen ist beeindruckend und war zuerst als einer von 12 Kornspeichern für Nürnberg konzipiert, bevor auch das Zollamt einzog und dem Gebäude seinen Namen gab.
Die Dimensionen der Mauthalle reichen fast der Pfarrkirche Sankt Lorenz die Hand. Sie ist mit 92 Metern Länge nur ein wenig länger als die Mauthalle. Besonders ist, dass die Kirche zu großen Teilen von der Bürgerschaft finanziert wurde und deshalb aufwändig geschmückt und detailliert ist.
Mein Rundgang führt mich über die Pegnitz auf den Hauptmarkt. Nach der Vertreibung der Juden im Jahre 1349 entstand auf dem ehemals sumpfigen Flecken der Stadt der Hauptmarkt. Nur drei Jahre später begannen die Bauarbeiten an der Frauenkirche, die heute neben der Kirche St. Lorenz und St. Sebald zu den bedeutesten Kirchen der Stadt gehört. Zur Weihnachtszeit findet hier der Christkindlesmarkt statt.
Ich verlasse den Hauptmarkt, widme dem leider eingerüsteten „Schönen Brunnen“ einen kurzen Blick und passiere das alte Rathaus: ein prächtiger Renaissancebau im italienischen Stil. Die drei großen Portale mit den Stadtwappen, dem Wappen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und den flankierenden Skulpturen sind wahre Prachtstücke der Steinmetzkunst.
Etwas oberhalb des Rathauses liegt das Stadtmuseum im Fembohaus. Mein Museums-Tagesticket ist hier auch gültig und so mache ich einen kleinen Abstecher in die dokumentierte Stadtgeschichte. In dem ehemaligen Kaufmannshaus werde ich in der Geschichte zurückversetzt. Eine schön gestaltete Licht- und Bilddokumentation an einem 1:500 Model der Altstadt bringt mir die Stadtentwicklung nahe. Auf weiteren drei Etagen, erfahre ich mehr über die Bedeutung des Handels und des Bürgertums in der Stadt. Die aufwändig restaurierten Räume beherbergen eine wundervolle Ausstellung und geben Einblick in das tägliche Leben des Mittelalters in Nürnberg.
Die Berühmten
Nur wenige Meter weiter den Berg hinauf liegt die Kaiserburg. Das schöne Wetter bereitet mir mit der hervoragenden Aussicht über die Stadt ein Geschenk. Ich erkunde den Burghof und den Burggarten und folge der Stadtmauer Richtung Westen. Eine kleine Tür führt zum Wehrgang, von dem man angeblich den schönsten Blick auf Nürnberg hat. Es ist der Blick auf das Albrecht-Dürer-Haus vom Tiergärtnertor aus; mein nächstes Ziel.
Im Albrecht-Dürer-Haus bekomme ich wieder einen Audio-Guide und lasse mich in knapp 30 Minuten von Agnes Dürer, der Frau Albrechts, durch das Haus führen. Im obersten Stockwerk in der lebendigen Werkstatt erwartet mich eine interessante Sammlung zu den Farb- und Drucktechniken aus der Zeit Albrecht Dürers.
In wem nun das Kind im Manne geweckt wurde oder selbst Kinder dabei hat, der sollte das Spielzeugmuseum nicht verpassen. In Nürnberg sind Spielzeuge Tradition und auf vier Etagen werden Spielzeuge, Puppen, Eisenbahnen und vieles mehr ausgestellt und laden zum Mitspielen ein.
Die Tour führt mich weiter über den Henkersteg zum Ehekarussell. Dieser kunstvoll aus Marmor und Bronze gestaltete Brunnen aus dem Jahr 1984 stellt in sechs Szenen das Gedicht „Das bittersüße eheliche Leben“ von Hans Sachs nach: von liebenden zu ungleichen Verhältnissen bis auf dass der Tod die Streithähne scheidet.
Für mich endet hier der Rundweg durch Nürnberg. Mein Zug ruft und ich kehre zu meinem Ausgangspunkt, dem Hauptbahnhof, zurück. Die Breite Gasse führt mich auf den letzten Metern noch durch das geschäftige Viertel und holt mich aus der Reise in die Geschichte wieder zurück in die Gegenwart.
Das Fazit
Völlig überwältigt von der Größe und Vielfalt Nürnbergs hinterlässt die Stadt einen sehr positiven Eindruck. Mein Experiment mit dem Handy-Audio-Guide ist gelungen und ich habe trotz weniger Stunden einen groben Überblick über die Stadt erhalten. Dennoch ist ein Tag in Nürnberg nicht ausreichend. Die vielen Laufkilometer stecken mir in den Knochen und gesehen habe ich dennoch nur die Oberfläche. Wer Nürnberg „gefühlt“ vollständig erkunden möchte und sich die Vielzahl an Museen und historischen Orten genauer ansehen möchte, dem empfehle ich mindestens zwei Tage.
Ich bin müde und schlafe im Zug nach Hause ein. Zum Glück wache ich rechtzeitig zum Ausstieg wieder auf.
Hallo Dominik,
interessanter Beitrag zu Nürnberg. Auch ich habe bisher nur den Christkindelsmarkt gesehen. Die Stadt hat ja einiges zu bieten. Fritz Rau hatte als Veranstalter 1978 Bob Dylan für ein Konzert auf dem Zeppelinfeld des Reichtagsgeländes gebucht. Als dieser aufgrund der Historie besorgt war, wurde die Bühne gegenüber der Tribüne aufgebaut. Die Zuhörer drehten so symbolisch der Geschichte den Rücken.
Liebe Grüße
Renate