Der Morgen erwacht in Hammerstein. Etwas zu früh für meinen Geschmack, aber Thimo unser Reiseleiter auf der Rundreise durch Namibia hält viel von stricktem Zeitregime. Nach dem bisherigen Highlight in der Namib-Wüste, den Dünen und der Sossusvlei, warten auf uns spannende Tage am Atlantik und im Etosha-Nationalpark. Ich habe zu Hause versprochen mich nicht von einem Löwen fressen zu lassen. Ob das was wird?
Swakopmund und der Atlantik
Wenn es abgelegene Orte gibt, muss es nicht unbedingt heißen, dass sie einsam sind. Der Name „Solitaire“ lässt es fast vermuten, aber ob der Name wirklich von dem englischen Wort „Solitude“ für Einsamkeit sich ableitet, ist umstritten. 1848 wurde diese kleine Siedlung gegründet. Heute hat sie ungefähr 100 Einwohner. Hier ist auch die bekannte Bäckerei, die mir im „Old Wheelers Club“ empfohlen wurde. Ihr Apfelstrudel soll der beste in Afrika sein. Da meine Vergleiche nur Länder wie Tansania, Äthiopien, Guinea und Mosambik heranziehen können und ich mich beim besten Willen nicht erinnern kann, dort überhaupt Äpfel gesehen zu haben, stimme ich unter Vorbehalt weiterer Afrikareisen zu. Der Apfelkuchen ist aber auch im deutschen Vergleich ausgezeichnet und der Stopp hier ein Muss. Und da ich ungern Dinge mit einem Muss verbinde, möchte ich dazu anmerken, dass man hier bei der Durchfahrt auch freiwillig stoppt. Es locken guter Kaffee, Benzin und ein besonderer Charme: alte Autos und etwas Entspannung von der Schotterstraße.
Bevor wir Swakopmund erreichen, biegen wir von der Asphaltstraße kurz ab und stoppen an einer „Welwitschie“. Ich bin etwas sprachlos als ich eine große, etwas mitgenommene Pflanze bestaunen soll. Sie ist nach ihrem Entdecker Friedrich Welwitsch benannt und kommt nur in der Namib vor. Sie hat nur zwei Blätter und kann über 1000 Jahre alt werden. Aufgrund ihres weiten Vorkommens und ihrer Bedeutung gedeiht sie auch im angedeuteten Wüstensand im unteren Teil des Wappens von Namibia. Botaniker haben meiner Ansicht nach mehr Freude an dieser Pflanze, von der es eine männliche und eine weibliche Form gibt, die sich über Insekten befruchten. Die Verbreitung der Samen erfolgt dann über den Wind. Da die Pflanze nur nach extremen Niederschlägen keimen kann, ist ihre Fortpflanzung beschränkt, was sie zu einer besonderen Pflanze macht. Ihr tägliches Überleben sichert sie sich durch die Wasseraufnahme über den in der Region stehenden nächtlichen Nebel.
Die Straße schlängelt sich weiter durch die sogenannte Mondlandschaft, bevor wir wieder zurück auf die Hauptstraße gelangen. Der Asphalt wechselt zu Salz, was dem Fahrkomfort aber keine Abstriche macht. Vor uns türmt sich eine riesige Nebelwand auf. Von einem Moment zum anderen sind wir vom Küstennebel eingehüllt. Der Atlantik ist nicht mehr weit. Swakopmund liegt vor uns. Unser Hotel ist das „Hansa Hotel“. Die Namibier selbst nennen es das feinste Hotel Namibias, das 1905 mit einem Gebäude in der Innenstadt von Swakop, wie die Stadt auch genannt wird, entstand. Die Geschichte des Hauses ist einzigartig und zeugt auch heute noch von bestem Service und Komfort. Den Grundstein legte Paul Miersch. Er vermietete einige der Räume in seinem Gebäude an Reisende. 1954 erweckte das Ehepaar Rummel das Hotel wieder aus seinem kleinen Dornröschenschlaf und brachte es zu seiner heutigen Größe. Noch heute fühlt sich die Belegschaft dem Standard der damaligen Zeit verpflichtet und bietet in einer wundervollen Atmosphäre ausgezeichneten Service.
Ich treffe mich in der Bar mit Reinhold Mertens. Er war 40 Jahre lang der Küchenchef des Hotels und erzählt mir über die Geschichte des Hauses und der Entwicklung von Swakopmund. 1959 zog der gebürtige Hesse nach Namibia. Damals noch ein Abenteuer seines gleichen. Vier oder fünf Zwischenlandungen mit dem Flugzeug brauchte es, um Namibia zu erreichen. Heute kann man auch direkt ab Frankfurt nach Windhoek fliegen. Zusammen mit der Familie Rummel baute er das Hotel zu seiner heutigen Größe aus. Heute ist der fast 80-jährige im Ruhestand, aber trotzdem innig mit dem Hotel verbunden. Der Kamin neben uns spendet sanfte Wärme. Es ist der zweite Abend, an dem der Kamin im stilvollen Ambiente diesen Winter an ist. Es ist kühl für hiesige Verhältnisse. Wir trinken beide einen Weißwein und unterhalten uns angenehm entspannt.
Herr Mertens erzählt über die Geschichte der Stadt, die als wichtiger Hafen der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1892 gegründet wurde. Die bessere Hafenlage war in Walvis Bay, schien aber damals durch die Briten belegt und Lüderitz im Süden der Kolonie eignete sich aufgrund des langen Weges nicht zur Versorgung der Hauptstadt Windhoek. Nur 10 Jahre später verband eine Eisenbahnlinie beide Städte. Seither hat sich die Stadt weit entwickelt. Der Stadtkern zeugt noch heute mit kolonialen Gebäuden von der Gründerzeit. Auch wenn einiges sich heute verändert hat, so haben die wenigen Namibier deutscher Abstammung immer noch Einfluss auf die Stadt. In vielen Läden kann man sich auf Deutsch verständigen und einige Straßennamen tragen noch deutsche Namen, auch wenn mit der Unabhängigkeit Namibias viele Straßen umbenannt wurden. Alle Sehenswürdigkeiten, vom alten Bahnhof über das alte Amtsgericht, dem Bootsanleger und der alten Pionierfestung und dem historischen Hohenzollernhaus im Stil des Neobarock. In der Nähe des Leuchtturms und dem unmittelbar daneben befindlichen Staatshaus findet man den kleinen Kunstmarkt, ein Paradies für Souvenirjäger. Die Aufdringlichkeit der Verkäufer hält sich in Grenzen und lässt das Stöbern zu.
Heute ist Swakopmund nicht nur für ausländische Besucher interessant, sondern auch für Namibier, die aus den wärmeren Regionen entfliehen und Urlaub machen wollen. Auch Pensionäre finden hier einen Ort. Die Stadt wächst jedes Jahr und der Bann ist ungebrochen. Wer nicht nur das Leben in der Innenstadt erleben möchte, kann zum Beispiel via „Khoi San“ eine Township-Tour buchen. Diese führt dann in die äußeren Bezirke von Swakopmund. Ich bin sonst immer etwas voreingenommen bei solchen Touren und war anfangs etwas skeptisch, als mich Marcia am Hotel abholt. Aber die Tour überzeugt mich. Es wird nicht oberflächlich über die Menschen geredet, sondern man trifft sie in ihrem Zuhause und kann sie über alles fragen. Neben einem kleinen Acapella-Konzert werde ich mit einer der vielen Klicksprachen bekannt gemacht. Hier liegt „Liebe“ und „Tod“ nur ein Klick entfernt, scherzt Marcia, als ich versuche das Wort Liebe zu klicken, aber mich etwas verklicke und mir den Tod wünsche. Alle im Raum lachen.
Zurück auf den bekannteren Routen führt uns unser Weg entlang der Küste in Richtung Süden auf ein kleines Ausflugsboot in Walvis Bay. Der Pelikan setzt gerade zur Landung an und verpasst sein Ziel nur knapp. Er dreht eine weitere Runde und setzt mit seinen Füßen auf unserem Bootsdach auf. Sein Schnabel reckt er in Richtung Achtern. Hier steht Christal und erklärt gerade an einer ins Boot gehüpften Robbe deren Lebensraum. Der Pelikan lugt immer wieder nach dem Fisch, den die Robbe als Belohnung für ihre Geduld und ihre Vorführkünste bekommt. Dann wirft Christal ihm einen Fisch zu und gekonnt landet er in dem großen Schnabel des Pelikans. Aus einem können auch zwei werden, denkt er sich wahrscheinlich und probiert es gleich nochmal. Er soll seinen Anteil bekommen.
In der Bucht hängt noch der Morgennebel. Um 11 Uhr soll er sich lichten und einen Blick über Walvis Bay, die Walfischbucht, freigeben. So hoffen wir.
Unser Boot findet wenige Minutzen später trotzdem den Weg zur Robbenkolonie. Vorbei an den Austernzüchtern, die hier an der Atlantikküste von Namibia beste Bedingungen vorfinden und ihr Gut dann nicht nur auf dem einheimischen Markt vermarkten, sondern auch in alle Welt verschiffen. Ihre Arbeitsplatform ist unter anderem ein altes Boot, das jetzt im Nebel an ein Geisterschiff erinnert. Erst wenige hundert Meter vor der Robbenkolonie kommt der alte Leuchtturm in Sicht und im Wasser wird es immer aufgeregter. Schwarze Flecken huschen durchs vernebelte Bild. Und dann wird es immer klarer, der Strand zeigt sich und auch die Robben sind nun aus nächster Nähe zu bestaunen. Die reichen Fischgründe in Walvis Bay, die schon immer die Robben, Wale und Delfine anzogen, waren einst der Grund, warum hier die Briten ab der Inbesitznahme 1795 ihren Stützpunkt für Fischerei und Guano-Handel immer weiter ausbauten. Zum anderen waren strategische Gedanken ein Grund dafür, dass selbst als Namibia Schutzgebiet des Deutschen Reiches war, Walvis Bay britische Enklave blieb und somit den Seeweg nach Indien sichern konnte.
Wir sind aber in genüsslicher Mission unterwegs. Christal schaltet in der Nähe der Robbenkolonie den Motor aus uns lässt uns treiben. Aus einem geflochtenen Picknickkorb zaubert sie Sektgläser, Häppchen und Teller hervor und stellt sie in die Mitte des offenen Bootes. Danach schenkt sie jedem ein Glas Sekt ein und macht sich an das Öffnen von frischen Austern. Der genüssliche Part der Bootsfahrt hat begonnen. Während wir vor uns hin treiben, genießen wir unser zweites Frühstück. Ein außergewöhnliches Erlebnis, das seinen Höhepunkt findet, als fünf Pelikane im Formationsflug an uns vorbei fliegen und tausende Kormorane ihnen folgen, um zu ihren Fischgründen aufzubrechen.
Elefanten im Straßenverkehr
Der tierische Höhepunkt steht vor der Tür. Während um meinen Bungalow in der Ombinda Country Lodge nur eine Hauskatze herumschleicht und sich sichtlich einen Spaß daraus macht, mit meinen Gefühlen zu spielen und nur so zu tun, dass man sie streicheln könnte, so ist das „Kätzchen“ im Etosha Nationalpark um Welten größer. Zum Glück will es nicht spielen. Der Löwe liegt nicht weit vom Eingang in den Nationalpark entfernt auf einer weiten offenen Fläche. Nur kleinere Füchse trauen sich in die Nähe und ein Nashorn. Die Antilopen und Zebras halten sich lieber bedeckt. Wir sitzen im offenen Jeep. Um uns herum noch ein paar andere Autos. Die Motoren schweigen. Es ist für manch einen der erste Kontakt mit gleich zwei der „Big 5“. Ich höre die Kameras nur so klicken. Ich habe fast aufgegeben. Meine Kamera hat nicht ausreichend Zoom für die tollen Porträtfotos, dafür lehne ich mich etwas zurück und genieße die Szenerie.
Thimo sitzt hinter dem Lenkrad unseres Jeeps. Ein Multitalent. Er kennt sein Land, die Geschichte und ist anscheinend auch perfekter Safari-Guide. Ich finde es einfach nicht heraus, wie er die Tiere vor uns erkennen kann. Selbst mit dem Fernglas tue ich mich schwer, hier und da einen Löwen im Gebüsch zu finden und er zeigt in aller Seelenruhe in die Ferne und sagt gelassen „Da hinten liegt eine Löwendame. Das Männchen liegt etwas rechts davon.“ Wie macht er das nur? Wir können glücklich sein. Wir folgen den Straßen im Park und bleiben immer wieder stehen. Hier ein Springbock, dort ein paar Zebras und Oryxe. Ganz gespannt schauen wir immer wieder in die Höhe und wünschen uns eine Giraffe. Und dann, dann erspäht sie Thimo doch noch. Eine Gruppe reckt in der Ferne ihre Köpfe aus den Bäumen hervor. Endlich.
Einige Minuten später: Hinter mir wird gerade auf Elefanten gewettet. Es sieht nach Elefantenterritorium aus, wird gemunkelt. Und sie sollen recht haben. Vor uns läuft ein Bulle im Gegenverkehr auf der Straße. Der Weg durch den Busch scheint keine Alternative darzustellen und so rollen wir in gebührendem Abstand dem Elefantenmännchen hinterher. Eine Minute, zwei Minuten, drei Minuten. Es zieht sich. Dann macht die Straße einen Knick. Der Elefant folgt der Hauptstraße während wir auf die Seitenstraße zum Überholen ansetzen. Nur wenige hundert Meter später stehen wir an einem Wasserloch. Vor uns eine ganze Herde Elefanten. Die Kleinen spielen, die großen baden ein wenig. Von hinten kommt auch langsam der Bulle angestapft und gesellt sich zur Gruppe. Eine Dame gesellt sich zu ihm und sie stehen sich Minuten lang gegenüber und halten Rüssel; ein bewegender Moment.
Wir fahren langsam weiter durch den Park. Am Ende des Tages werden wir vielleicht zehn Prozent davon gesehen habe. Zu groß und einfach zu viel zu sehen. Wir kehren zur Ombinda Country Lodge zurück und legen kurz vor dem Abendbrot noch etwas die Beine hoch. Nicht, dass wir so erschöpft sind, aber wir haben ja Urlaub.
Wiedersehen
Wir kehren langsam wieder nach Windhoek zurück. Auf dem Weg kommen wir durch Okahandja. Es ist Hereroland und das wichtigste traditionelle Zentrum des Stammes. An den Gräbern der großen Führer, darunter auch Hosea Kutako, dem Unabhängigkeitsverfechters, halten wir kurz. Dann ist es nicht mehr weit bis in die Hauptstadt. Eine neue vierspurige Straße verbindet mit einigen Unterbrechungen die Städte. In Windhoek kommen wir am Ausgangspunkt unserer Reise an. Jetzt haben wir auch nochmal richtig Zeit die Stadt zu erkunden. Die besonderen Sehenswürdigkeiten sind das Nationalmuseum mit seiner Dachterrasse, von der man aus einen Blick über die ganze Stadt hat, die alte Feste und die Christuskirche gleich nebenan. Auf der „Independence Avenue“ ist noch ein kleiner Kunstmarkt und wer lieber eine kühle Brise und etwas ausgefallenere Kunst mag, kann auch in der National Art Gallery vorbei schauen. Einige der Stücke stehen hier zum Verkauf. Unweit davon liegt das ehemalige „Kaiserliche Landesvermessungsamt“.
Die Rundtour durch Namibia endet hier. Thimo hat sein Ziel erreicht, uns sein Land näher zu bringen und uns zu begeistern. Wie immer war der Urlaub viel zu kurz! Es hätte gerne länger sein können. Ich kann mich an Natur, Dünen, wilden Tieren und Wasser einfach nicht satt sehen. Dazu haben die „Old Wheeler“ auch noch recht behalten: Ich will wieder kommen! Zum Glück habe ich nicht gewettet.
Vielen Dank an Gebeco für die Einladung.
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Dominik
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Dominik
Realy wunderfull.
I like it. ♥️