Lost in Traffic – Teheran

Was ist die Steigerung von eng? Enger, am engsten? Ich würde gerne noch „Metros“ hinzufügen. Rund um die Welt zwingen sich jeden Tag tausende Menschen in kleine mit Türen und Fenstern versehene Alu-Röhren. Auch in Teheran wird da keine Ausnahme gemacht. Ich komme mit dem Nachtbus an meiner ersten und letzten Station im Iran an und als dann endlich die Sonne aufgeht, traue ich mich auch endlich, die Bushaltestelle zu verlassen und gerate direkt in die Rushhour. Obwohl ich an einer der ersten Stationen einsteige, darf ich mich mit meinem Rucksack in das volle Gedränge stürzen. Festhalten geht nicht und ich frage mich, wie ich die richtige Station finden soll und dann überhaupt wieder aus dem Zug kommen soll.

Antike Museen

Irgendwie schaffe ich es, mich aus dem Zug zu quälen. Ich bin froh, dass alle meine Sachen noch da sind und ich in einem Stück die Metro verlassen kann. Ich setze mich mich also mit meinem frisch und noch heiß erworbenen Brot auf die Treppen des Nationalmuseums. Wenige Sekunden später ergießt sich ein mächtiger Regenschauer über die Metropole. Leute rennen um ihre Trockenheit, die meisten schaffen es nicht, sich vor dem Wolkenbruch zu retten. Ich verkrieche mich in den warmen Wachraum und warte auf die planmäßige Öffnung.

Etwas enttäuscht von der Ausstellung verlasse ich eine knappe Stunde später das Museum. Die Prachtstücke sind kaum in Englisch beschriftet, die Informationen mittelmäßig und es fehlt einfach an einer schönen Darstellung. Ohne Führer ist man hier einfach aufgeschmissen.

Antike Schriften - Nationalmuseum Teheran

Antike Schriften – Nationalmuseum Teheran

Ich laufe langsam in Richtung Ferdousi Avenue. Durch eine kleine Stahltür schlüpfe ich in eine abgesperrte Gasse. Ein kleines Kassenhäuschen erwartet mich, bevor ich weiter die Gasse hinunter laufe. Es ist ein beengendes Gefühl an einem einengenden Ort. Ich habe soeben das berühmt, berüchtigte Ebrat Gefängnis betreten. In der Schah-Zeit diente es als Foltergefängnis. Erst mit der Islamischen Revolution 1979 wurde es in ein normales Gefängnis umgewandelt. Ein bedrückender Film leitet in die Geschichte ein und ehemalige Gefangene führen einen durch die nachgebauten Räume der Schreckensanstalt. Wachsfiguren, Videos und Tafeln auf Englisch erzählen die Erlebnisse der Gefangenen. Absolut nicht inderfreundlich und manchmal zu nahe an der Realität wird man in der Tour selbst gefangen gehalten und erlebt jeden Schritt der Gefangenen noch einmal mit. Die engen Zellen, die Foltermethoden und die grausamen Verhöre.
Die Kekse und der Tee am Ende entschädigen nur bedingt für das, was man gesehen hat.

Ebrat Gefängnis

Ebrat Gefängnis

Nach meiner Mittagspause gehe ich noch auf Schatzsuche. Im Keller der Iranischen Zentralbank werde ich fündig. Das letzte Mal, dass ich einen so großen Schatz gesehen habe, war in London. Das muss jetzt aber schon Jahre her gewesen sein. Das Glitzern und Funkeln hört gar nicht mehr auf. Kopfschmuck, Armbänder, Ziergegenstände. Alles scheint möglich und die Kronjuwelen sind das Highlight heute.

Bemalte Wände an der ehemaligen amerikanischen Botschaft

Bemalte Wände an der ehemaligen amerikanischen Botschaft

Ich trödle noch etwas durch die Stadt und kehre Abends bei Anousha ein. Sie schickt mich die nächsten Tage noch auf eine Reise ins Alamut Tal, bevor ich mit ihr an meinem letzten Tag im Iran in Richtung Tochal fahre, den Hausberg von Teheran.

Monumentale Paläste

Einige Tage später klettere ich mit Amir in den Bergen über dem Saadabad-Palast herum. Amir ist schon am Ende seiner Kräfte, als wir wieder in den bewohnten Teil Teherans absteigen. Ich kann ihn dennoch überreden, mit mir den Saadabad-Palast zu besuchen. Bis zum Grünen Palast halten wir durch, dann steigen wir auf einen der Minibusse um, die im Park die Sehenswürdigkeiten verbinden.

Grüner Palast im Saadabad-Areal

Grüner Palast im Saadabad-Areal

Während ich nur um den grünen Palast mit seiner marmor geschmückten Fassade schleiche, so tragen mich meine Füße plötzlich wie von alleine in den weißen Palast. Aus den 3000 Quadratmetern wieder herausfinden ist einfach, aber wenn die Füße schon einige Kilometer Wanderung hinter sich haben, ist es etwas schwieriger, aus dem überdimensionalen Wohnzimmer wieder heraus zu kommen.

Monument vor dem weißen Palast

Monument vor dem weißen Palast

Einige Tage später besuche ich den Golestanpalast. Das Preissystem bringt mich an den Punkt der Verzweiflung. Für jedes Gebäude ein eigenes Ticket. Wie soll man sich da entscheiden? Ich will definitiv keine 30 Euro loswerden. Ich folge der Empfehlung meines Reiseführers und betrete die Palastanlage. Von außen ist der Palast fast unscheinbar von „modernen“ Verwaltungsgebäuden umhüllt und die wahre Größe wird mir erst nach dem Betreten bewusst. Fast holt mich hier die Ruhe eines Parks ein, aber der Straßenlärm dringt dennoch etwas durch. Ich durchschlendere das Geschenkemuseum, die Spiegelhalle und die Empfangshalle. Auf dem Außengelände lasse ich mich nieder und beobachte, wie andere Touristen um die besten Fotomotive buhlen.

Golestanpalast

Golestanpalast

Anousha holt mich ab und an meinem vorletzten Tag gehen wir auf dem großen Bazar von Teheran einkaufen. Hier und da noch ein Souvenir, hier noch eine Dattelsorte, dort noch ein bisschen iranischen Tee. Am besten Falaffelstand der Stadt holen wir uns einen Sandwich und lassen uns an einem Brunnen nieder. Das Stadtleben an diesem Donnerstag zieht an uns vorbei. Jeder bereitet sich an diesem sonnigen Tag auf den Freitag, den iranischen Sonntag, vor. Es werden die letzten Einkäufe getätigt, Freunde getroffen und um uns herum die leckeren Falaffeln verspeist.

Großartige Reise

Der Tag neigt sich langsam dem Ende zu  und wir fahren zurück in Anousha’s Wohnung. Wir unterhalten uns noch eine Weile, bevor wir einen Schlussstrich unter den Tag ziehen.

Der letzte Tag wird nochmal eine große Herausforderung bringen. Früh morgens ziehen wir zum Tochal-Berg und erklimmen die ersten Stationen des 3964 Meter hohen Berges. Als wir am Nachmittag wieder die Stadt erreichen, kann ich schon fast das Ende der Reise riechen. Es geht noch einmal wundervoll durch die Nase und den Magen. In einem Straßenrestaurant gönnen wir uns zur Stärkung eine Portion Asch, eine kräftige Suppe.

Saadabad-Palast

Saadabad-Palast

Zuhause angekommen, trockne ich über dem Ofen meine Kleidung und bringe meine Schuhe wieder auf Normaltemperatur. Langsam wird es draußen dunkel. Anousha und ich haben uns zum Abschluss des Abends mit anderen Couchsurfern in einem kleinen Restaurant verabredet. Was mich hier erwartet, überrascht mich noch einmal. Ein wundervolles Restaurant, gefüllt mit jungen Leuten und einer besonderen Atmosphäre.

Ich treffe einen Tschechen. Wir sind uns vor einigen Wochen in Yazd über den Weg gelaufen und haben uns mehr oder weniger nur zugenickt. Jetzt treffen wir uns wieder. Spannend zu hören sind die Geschichten der Tehranis. Allesamt Couchsurfer und wie es scheint, eine eingeschworene Gemeinschaft. Ein wundervolles Gefühl ein Teil davon zu sein und ein schöner Abschluss meiner Reise durch den Iran.

Am Flughafen Teherans

Am Flughafen Teherans

In den letzten vier Wochen habe ich ein Land kennengelernt, das in aller Welt etwas Unbehagen hervorruft und erst bei näherem Hinsehen zu einem Land wird, welches mit Herzlichkeit, Gastfreundschaft und Offenheit jeden empfängt, der sich über den Schatten seiner Umwelt  und den Sprung in die einzigartige persische Welt und deren Geschichte wagt.

Ich danke allen Couchsurfern, Mitreisenden und Begleitern für diese großartige Reise in das Land der tausend und einen Geschichte!

Am Flughafen blättere ich durch mein Tagebuch und sehne mich schon wieder zurück in die ruhige, gelassene Welt der Iraner!

1001 Nacht als Karte

    Wie teuer ist es im Iran?

    Für alle Reiseinteressierten gibt es auf der Seite Wie teuer ist die Welt? – Iran eine Zusammenstellung der Kosten für die Reise in den Iran.

    2 Antworten zu “Lost in Traffic – Teheran

    1. Der Nahe Osten übt schon eine gewisse Faszination aus… Allerdings würde ich als Frau wohl nicht dahin reisen 🙁 Das finde ich zwar schade, aber da sind die Sicherheitsbedenken größer. Daher freue ich mich immer auf kleine Einblicke durch Reiseblogger.
      Viele Grüße
      Maria

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