Es geht wieder – das Reisen in Europa. Weit muss es gar nicht sein und da bieten sich doch die lockeren Niederlande an. Ein Kurzurlaub in Amsterdam, Den Haag, Delft und auf Texel – frische Meerluft schnuppern.
Locker! Aber nicht immer
Die Planungen für die Reise waren irgendwie nicht Erfolg versprechend. Erst lief alles gut, dann stand ein Plan, drei Tage später war er komplett verworfen, um dann am nächsten Tag endlich in finale Formen gegossen zu werden. Corona macht die Planungen nicht einfach und ich habe es mir unnötig schwer gemacht. Da die Grenze aus Deutschland in die Niederlande nie wirklich zu war, habe ich mir erstmal keine weiteren Sorgen gemacht und nach einem Fernsehbericht gleich noch weniger. Erst habe ich mich für das Auto entschieden, dann für die umweltbewusste Alternative des öffentlichen Nahverkehrs, um dann festzustellen, dass die Niederländer keine Touristen in den Zügen haben wollen, und so bin ich dann final wieder beim Auto gelandet.
Aber wieso mache ich mir überhaupt den Stress, in ein Nachbarland zu fahren? Ich wohne aktuell direkt an der Grenze und so ist es für mich weiter an die deutsche Nord- und Ostsee zu fahren, als kurz über die Grenze. Naja, und Amsterdam ist gerade wirklich leer, die Hotels günstig und somit ist das Reisen angenehmer. Dazu kommt, dass die Züge die wirkliche Ausnahme für die Einschränkungen in den Niederlanden bilden. Keine Maskenpflicht in Geschäften und in anderen Bereichen wird es auch nicht so eng gesehen. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, will ich nicht bewerten, aber es ist zumindest gefühlt Urlaub von den Einschränkungen zu Hause. Aber es wird nicht immer so bleiben. Jetzt, nur einige Wochen nach meinem Besuch, bittet Amsterdam schon wieder nicht mehr zu kommen, da sich in der Stadt schon wieder zu viele Menschen aneinander drängen. Was bleibt von diesem Bericht noch übrig? Ich hoffe die Vernuft. Ich kann in dieser Zeit kaum eine klare Empfehlung aussprechen, mehr einen Appell sich vorher zu informieren und Gesundheit vor Reisen zu stellen.
Ruhiges Amsterdam
Ich kenne Amsterdam von einem Besuch von vor vielen Jahren. Ich hatte nie das Gefühl alleine zu sein, die Straßen, Museen und Attraktionen waren voll mit Touristen und das kommerzielle stand im Vordergrund. Das hat sich zumindest temporär geändert. Ich weiß gar nicht wirklich, ob sich die Leute über die Ruhe freuen oder ob die Ruhe eher beängstigend ist.
Vor einem Regenschauer flüchte ich mich in eine Bar, die erst seit einer Woche wieder offen hat. Die Tische stehen mit Abstand und es ist gefühlt leer, obwohl fast alle Tische belegt sind. Der Kellner ist sichtlich erfreut und fängt ein Schwätzchen mit mir an. Er blickt positiv in die Zukunft. So auch der Kellner im Restaurant eine Weile später. Obwohl er gerade nur den Umsatz von vielleicht einer Stunde vor den Einschränkungen jetzt an einem Tag macht, ist die Laune gut. Ich habe mich unter den vielen Museen in Amsterdam für eins entscheiden müssen und so habe ich mir Online eine Karte zum Anne-Frank-Haus gekauft. Ich habe ein Zeitfenster von 15 Minuten bekommen, einzutreten, danach kann ich mir Zeit nehmen, die Geschichte auf mich wirken zu lassen. Ich finde es bewegend, wie sich Anne Frank mit ihren Tagebüchern beschäftigt und einen Einblick stellvertretend für viele andere Menschen in ihre Zeit gibt.
Danach lasse ich mich in Amsterdam treiben. Ich habe keinen Plan für den Tag gemacht und so schlendere ich mehr oder weniger zielgerichtet durch die Stadt. Die Einkaufsstraße ist voll mit Menschen und der Versuch mit Markierungen auf dem Boden die Abstandsregeln einzufordern, funktioniert nicht. Im Gegenzug ist der sonst so touristische Blumenmarkt leergefegt und einige Geschäfte sogar geschlossen. Ich nutze die kostenlose Fähre, um über das Ij zu fahren, um auf der anderen Seite etwas spazieren zu gehen und die Sonne zu genießen.
In der Nähe des Anne-Frank-Hauses finde ich eine Bank an einem Kanal und lasse mich nieder. Um mich herum erobern die Einwohner ihre Straßen und Kanäle zurück und sitzen vor ihrer Haustür und essen Abendbrot. Ein Pärchen schippert in einem kleinen Boot vorbei. Den Ellenbogen am elektrischen Außenborder, die linke Hand hält den Teller und mit der rechten hält er die Gabel. Das nenne ich stilvoll dinieren. Irgendwie kommt da leicht der Neid in mir auf. Aber mein Sandwich und meine kleine Auswahl an Essen, die Bank am Kanal und die Sonne kurz vor ihrem Untergang sind für einen ruhigen Ausklang des Tages ausreichend. Es ist schön, hier zu sein.
Tagesausflug nach Texel
Die beliebteste Ferieninsel der Nordrhein-Westfäler – so bezeichnete ein Fernsehbeitrag die Insel Texel. Das ist sie wahrscheinlich auch. Sie ist näher als die Ostfriesischen Inseln und hier hat man Platz. Platz am Strand, Platz in den Dünen und viele Fahrradwege für ein gemütliches Vorwärtskommen.
Ich habe mich lange drauf gefreut mal wieder an der Nordsee zu sein. Das letzte Mal ist einige Jahre her. Ich schätze den Charme der Häfen und der kleinen Orte, der Dünen und die Leuchttürme. Ich hatte eine Phase, da wollte ich Kapitän werden, um diesen Charme jeden Tag erleben zu können. Aber so kam es nicht und umso mehr freue ich mich, Seeluft schnuppern zu können. Auch wenn ich keine Strandperson bin und mich stundenlang in die Sonne legen kann, so finde ich es schön, Sand unter den Füßen zu spüren.
Ich stelle das Auto in Den Helder ab und fahre als Fußgänger auf der Fähre, während 95% der Menschen wahrscheinlich unten im Bauch des Schiffes mit dem Auto oder dem Campingvan anreisen. Auf der Insel könnte ich mir ein Fahrrad direkt am Hafen leihen, aber ich werde am Hafen schon erwartet. Meine Eltern machen auch gerade Urlaub auf der Insel und so erkunden wir etwas untraditionell mit dem Auto die Insel. Der kleine Hafen in Oudeschild mit der Fischereiflotte der Insel ist unser erstes Ziel. Hätten wir schon Hunger, so könnten wir hier direkt am Hafen frischen Fisch essen gehen, aber so schlendern wir durch das kleine Dorf und bestaunen die Fischerboote, die am Horizont auf dem Wasser immer so klein aussehen.
Der Leuchtturm an der Nordspitze der Insel ist noch wegen Corona geschlossen. Wahrscheinlich sind die engen Treppen im Inneren nicht gerade abstandsfreundlich. Gerne hätte ich einen Blick von der Spitze aus über die 24 Kilometer lange Insel geworfen, aber das fällt leider aus. So genießen wir die leichte Brise und die Sonne am Strand.
Etwas windgeschützt in einem der vielen Strandpaal-Restaurants genießen wir unser Mittagessen und vergessen etwas die Zeit. Für einen Besuch im Ecomare, der Seehundaufzuchtstation sind wir etwas spät dran. Aber man kann sich im Sommer ganz schön mit der Uhrzeit täuschen. Speziell, wenn die Sonne erst gegen 22 Uhr untergeht.
Den Haag und Delft
Wenn ich immer an Den Haag denke, hat es meist mit dem Kriegsverbrechertribunal zu tun. Ich hatte bisher kein Bild von der Stadt und der Umgebung im Kopf. Ich hatte mich damit auch nicht beschäftigt. Daher waren meine Erwartungen gemäßigt. Auch über Delft hatte ich noch nicht viel gehört. Daher war es umso erstaunlicher für mich, als ich in Den Haag als erstes in Chinatown landete. Etwas ungewöhnlich, aber interessant, denn nur ein paar Blocks weiter ist das Zentrum von Den Haag mit seinen Sehenswürdigkeiten. Der Binnenhof war meine erste Station und kurz darauf der Königspalast. Diesen hatte ich mir etwas prominenter vorgestellt, aber entgegen meiner Vorstellung fügt er sich an der Straße Noordeinde fast in die Häuserfront ein, während an seiner Rückseite ein schöner Park zu finden ist.
Was ich auch nicht von Den Haag erwartet hätte, ist, dass man mit einer kurzen Fahrt in der Straßenbahn direkt am Meer landet. Und hier sieht es auch nicht mehr nach Corona und Beschränkungen aus. So viele Menschen habe ich zuletzt zu Neujahr in Baku in Aserbaidschan gesehen. Irgendwie fühlt es sich nicht richtig an, aber ich bin ja auch hier und ein Teil davon. Aus Gewohnheit lasse ich mein Mund-Nasen-Schutz auf und versuche, Abstand zu halten. Ich bin aber der einzige, der das tut.
Delft lockt mit seiner alten, an Kanälen liegenden, Altstadt. Die alte Kirche wird mir lange in Erinnerung bleiben. Der Kirchturm aus Ziegelsteinen hängt ungewöhnlich schief. Schon in Amsterdam sahen die Häuser nicht immer gerade aus und waren gewöhnungsbedürftig, aber der Turm steht wirklich schief.
Ich bin bei Freunden zum BBQ eingeladen. Von ihrer Wohnung aus sieht man den ganzen Trubel in den Restaurants am Platz. Noch vor einigen Wochen, so erzählen sie mir, wurden die Gäste innerhalb von einer Stunde nach Hause geschickt und der Platz war augenblicklich ruhig und verlassen. Jetzt ist das Leben zurück und mit ihm der Lärm und die ausgelassene Stimmung. So wie vorher? Nein, aber es wird wieder lockerer und jetzt sind alle und ihre Vernunft gefragt, damit es so bleiben kann und es in Zukunft wieder einfacher wird – für jeden!
Niederlande, ein schönes Land.
Merci dass ich es erleben durfte.
Amadou