Es ist 5:56 Uhr morgens; Bam schläft. Es ist Freitag, der 26. Dezember 2003; die Erde bebt! Die Menschen werden von einem Erdbeben der Stärke 6,6 im Schlaf überrascht. Es sind schreckliche Momente. Über 30.000 Menschen sterben bei dieser Naturkatastrophe. 60 Prozent der Häuser werden zerstört. Die Katastrophe hinterlässt tiefe Narben in den Erinnerungen in der Region. Als wäre dies nicht schrecklich genug, wird die Festung von Bam „Arg-e Bam“ schwer beschädigt. Sie war bis dahin eine beliebte Sehenswürdigkeit und bescherte der Stadt viele Touristen jedes Jahr.
12 Jahre später…
Sprung in die Gegenwart
Ich sitze in Kerman im Warmen. Alireza hat mich gerade aus Sharbabek mitgebracht und ich darf bei ihm und seiner Familie übernachten. Mein nächster Tag wird wieder einmal bis auf die letzte Minute durchgeplant. Mir werden Tipps gegeben und meine Zeit genau limitiert. Von hier aus starte ich zu zwei Sehenswürdigkeiten in der Region. Zuerst besuche ich Arg-e Rayen und danach will ich mir die größte Lehmstruktur der Welt in Bam anschauen. Alireza nimmt mich in einem ruhigen Moment beiseite und fragt mich, ob mir die jüngere Geschichte in Bam bewusst ist. Ich habe nur kurz darüber gelesen, mehr weiß ich nicht. Er erzählt mir aus seiner Sicht über die Katastrophe. Ein sehr bewegender Moment.
Festung in den Bergen
Am Morgen werde ich von Alireza und seiner ganzen Familie zur Bushaltestelle gefahren. Er bringt mich noch zum Ticket-Schalter und kauft mir schneller ein Ticket, als ich überhaupt mitbekommen habe, wann der Bus fährt.
Ich bin fast alleine im Bus. Neben mir sitzt ein Bauarbeiter aus Rayen. Er erzählt mir über einen Wasserfall in Rayen. Seiner Beschreibung nach, muss ich dort hin. Aber wo der Wasserfall wirklich ist, erschließt sich mir nicht. Nach einer Weile stellt sich heraus, dass der Wasserfall 14 Kilometer außerhalb von Rayen ist. Etwas weit für eine kleine Wanderung in den Bergen.
Mitten in der Stadt wirft mich der Busfahrer aus dem Bus. Endstation. Die letzten Meter laufe ich stetig bergauf zur Festung. Dann liegt sie vor mir. Ein mächtiges Bauwerk. Der Regen, der mich schon seit Stunden umgibt, ist augenblicklich vergessen. Ich betrete die Festung und lande im Bazaar. Wundervoll restauriert, mausert sich die Festung als kleiner Ersatz für Bam. Meine Vorstellungskraft sammelt fleißig Eindrücke. Ein riesiger Abenteuerspielplatz liegt vor mir. Die Verlockung ist groß, auf die Mauern zu klettern und einen Überblick zu bekommen. Irgendwie habe ich das Gefühl, hinter jede Ecke schauen zu müssen. Der Wohnbereich für die normalen Bewohner ist ein großes Labyrinth. Hier und da versperrt eine zerfallene Mauer den Weg. In einem Turm kann man auf die Mauer steigen. Für einen kurzen Moment reißt auch die Wolkenschicht auf und die Haraz Berge kommen mit ihren schneebedeckten Gipfeln kurz zum Vorschein.
Mein Rundgang führt noch in den inneren Kern der Festung, dem Herzogswohnquartier. Am besten erhalten und restauriert gibt der symmetrische Teil einen Eindruck in das Leben der Herrscher über ein Gebiet, durch das einst eine der wichtigsten Handelsrouten für Güter und Stoffe führte.
Dass Rayen auf über 2000 Metern liegt, wird mir erst bewusst, als ich mit einem Taxi in Richtung Wasserfall fahre. Eine SMS von Alireza hat nochmal inständig darauf hingewiesen:
W a t e r f a l l r a y e n
Der junge Taxifahrer liest noch einen Freund auf, bevor wir die Stadt verlassen. Die ersten Kilometer sind unspektakulär, dann wir es aber langsam weiß; eine Spur leitet uns und endet bald. Wir probieren weiter zu kommen. Aber ohne Profil rutschen wir schlussendlich nur noch auf der Stelle.
Die letzten Meter begleitet er mich durch immer tiefer werdenden Schnee. Meine Schuhe sacken schon bis über die Knöchel ein. Ein Weg ist nicht zu erkennen. Ich schlittere den Pfad hinauf und stehe vor einem kleinen Wasserfall.
Im Sommer ist er sicherlich ein wahres Schmuckstück, eingefasst in blühende Bäume und wunderschöner Berglandschaft.
Langsam werden auch die Füße kalt und es ist Zeit nach Kerman zurück zu kehren.
Unglaublich groß – Arg-e Bam
Am nächsten Morgen nehme ich den Bus nach Bam. Ich komme an und frage mich nach der Bushaltestelle durch. Die meisten Leute sagen, es gibt keine. Eine SMS von Somaye, einer Couchsurfering, sagt genau das Gegenteil. Ich bin kurz davor, einfach später weiter zu suchen, da bekomme ich auf Persisch eine Wegbeschreibung zugeschickt und gleich die erste Person, die ich frage, bietet mir an, mich auf dem Motorrad dort hin zu fahren. Ich bekomme nicht nur das Ticket, sondern der nette Motorradfahrer bietet mir auch gleich an, mich zur Arg-e Bam zu fahren.
Keine 10 Minuten später stehe ich am anderen Ende der Stadt und vor den Festungsmauern.
A r g b a m? No problem
Ich kann Alireza nun erfolgreich von meiner Ankunft berichten. Mein Busticket halte ich nun ja auch schon in der Hand und es steht einer Tour durch die Burg nichts entgegen.
Meinen Rucksack stelle ich am Eingang ab und betrete die Festung. Im Gegensatz zu Rayen sind die Wege hier abgesperrt und nur ein kleiner Teil begehbar. Die Spuren des Erdbebens sind an jeder Ecke sichtbar. Monströse Pfeiler der Moschee sind umgeknickt wie Streichhölzer, die Strukturen der Wohnhäuser sind in sich zerflossen und nur noch ein undefinierbarer Haufen Lehm. Selbst die einst mächtigen Mauern der inneren Burg und der Wachtürme hielten dem Erdbeben nicht stand. Mühsam gehen die Restaurierungen voran, werden aber wahrscheinlich nie die gesamte Struktur wiederherstellen können. Das Areal ist einfach zu groß und die Schäden zu massiv.
In der Ferne thront die Innere Festung auf dem Berg. Eingehüllt in Baugerüsten ist die schiere Größe noch gut zu erahnen. Auf den Gerüsten tummeln sich kleine Punkte. Beim Näherkommen werden aus den kleinen Punkten Bauarbeiter, die geschickt auf den Stahlstangen balancieren.
Bing! In meiner Tasche vibriert es:
Wie war Arg-Bam? Haben sie es repariert?
Somaye fragt nach meinem Wohlergehen. Und ich berichte in kurzen Worten. Ich komme am Ausgang an und beschließe, die Festung noch einmal zu erkunden. Dieses Mal ohne Fotoapparat. Sie hat mich in den Bann gezogen. Ich ziehe das kleine Faltblatt aus meiner Hosentasche. In kleinen Bildern wird die Festung vor dem Erdbeben gezeigt. Ich finde die Orte nicht wieder. Nur die Schilder beweisen, dass ich am richtigen Ort bin.
Langsam trödle ich in Richtung Ausgang und verlasse die Festung. Vielleicht kann man ja außen herum laufen. Ich gebe diese Idee schnell auf: zu groß. Mein Weg führt mich in die Stadt in Richtung Bushaltestelle. Ich komme an einem Bäcker vorbei. Das Brot wird so frisch gebacken, dass man sich noch die Finger verbrennen kann, wenn man es kauft. Ich würde gerne eins kaufen. Der Bäcker drückt es mir so in die Hand. Geld? Nein, ein Geschenk. Schon gestern in Rayen wurde mir ein Sandwich ausgegeben. Heute schon wieder? Ich möchte zahlen. Zuerst gehe ich von Taarof aus; einer Art Höflichkeitsformel. Aber auch nach dem dritten Versuch zu zahlen, komme ich nicht weiter. Gestern auch. Da habe ich sogar das Geld auf den Tisch gelegt und wollte gehen. Mir wurde es wieder zugesteckt. Jetzt zahlen die Bäcker mit einem Lächeln auf meinem Foto.
Kaum habe ich das warme Brot zur Hälfte verspeist, kommt mir die Idee, zum Friseur zu gehen. Einmal das volle Programm. Mein Bart ist um Welten zu lang und meine Haare wieder mal nicht zu bändigen. Ein lockerer, lebensfreudiger Friseur empfängt mich. Ich bin sein einziger Kunde und ich habe das Gefühl, er nimmt sich extra viel Zeit, um sich mit mir zu unterhalten. Mich stört es nicht. Die Frisur am Ende sitzt und ich bewundere noch Tage später seine Präzision. Meine Haare wollen einfach nicht mehr durcheinander gehen. Wenn Bam nicht so weit weg wäre. Ich würde hier meinen Stammfriseur wählen.
Mein Tag geht zu Ende und ich hopse in den Bus nach Shiraz. Noch von der Festung ganz beeindruckt fahre ich in die Nacht.
1001 Nacht als Karte
Wie teuer ist es im Iran?
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