Die Reise führt unter den Meeresspiegel. 116m tief und normalerweise unerträglich heiß. Die Danakil-Senke hat als Schnittpunkt von drei Erdplatten zwei besondere Naturwunder im Gepäck: einen der vielleicht farbenfrohesten Seen der Welt und eine verdammt heiße Begegnung mit einem Lavasee.
Danakil – der Mythos
Ich werde von einem Mythos unter Äthiopien-Reisenden angezogen. Es gibt die, die da waren und nichts verraten und die, die hin wollen und gehört haben, es ist einfach nur der Wahnsinn. Wer sich von dem Mythos anstecken lassen möchte, sollte hier lieber aufhören mit lesen und sich sagen lassen, dass es sich lohnt! Das Spektakel, welches sich dort abspielt, raubt einem jede Sinne.
Erta Ale – keinen Schritt weiter
Für diese Reise muss ich auf eine Agentur zurückgreifen. Das ganze Grenzgebiet zu Eritrea ist einfach zu wild und gefährlich, um es auf eigene Faust zu besuchen. Deutsche Reiseveranstalter haben sie deshalb nicht im Programm. Wir fahren im Konvoi in Mekele los und treffen auf weitere Landcruiser auf dem Weg. Mit acht Autos geht die Fahrt weiter. Kurz vor der Mittagspause laden wir noch zwei Polizisten zu und fahren dann die letzten Kilometer über erkaltete Lava. Manche bezeichnen die Straße als eine der schlechtesten der Welt. Sie ist wirklich grauenhaft und wir hüpfen auf und ab. Ich bin wieder einmal erstaunt, was Reifen alles aushalten. Die Landschaft ist extrem schroff, das Thermometer ist seit Mekele stetig am steigen und pendelt sich erst bei 39 Grad Celsius ein. Am Ende erreichen wir ein Militärcamp der Afar und den Ausgangspunkt für unsere Vulkanbesteigung. Wir packen unsere sieben Sachen, schnallen noch den Schlafsack an den Rucksack und folgen unserem lokalen Guide durchs Lavafeld. Es ist 17 Uhr, als wir losgehen. Schnell wird es dunkel und bei jeder weiteren Pause schalten wir unsere Taschenlampen aus und der Himmel über dem Krater leuchtet immer roter.
Mittlerweile weiß ich, dass ich meinen zweiten aktiven Vulkan nach dem Nyiragongo in der DR Kongo sehen werde. Die Aufregung ist deutlich in den Gesicherten der anderen zu sehen. Aus der Dunkelheit tauchen erste Zivilisationsspuren auf und wenige Momente später stehen wir im Camp auf dem Kraterrand. Nur noch hundert, vielleicht zweihundert Meter trennen uns von dem schieren Wahnsinn. Wir sammeln unsere Kräfte nach drei Stunden Wanderung und klettern in den Krater hinab. Langsam kommen wir näher und ich spüre die Hitze. Es wird richtig heiß und als ich am Lavasee ankomme, werde ich von der Wärmestrahlung auf sicherer Distanz zum Abgrund gehalten. Ich stehe vor dem „Auge der Hölle“, wie es die Einheimischen manchmal nennen. Mein Blick schweift durch die Dunkelheit. Sie wird einzig von unseren mickrigen Lampen und dem brodelnden, spuckenden und flammenden See aus glühendem Gestein erhellt. Die Oberfläche wird gebrochen, es fließt Lava über die erstarrten Bruchstücke und zieht die Kruste wieder unter die Oberfläche. An manchen Stellen explodiert die teilweise erkaltete Lava und feurige Geschosse fliegen durch die Luft. Jedes Mal weichen wir einige Meter zurück. Unser Respekt vor dieser Naturgewalt ist enorm. An einigen Stellen entweichen heiße Gase aus kleinen Spalten. Ein unvorsichtig abgestellter Rucksack wird getoastet. Unsere Aufpasser holen uns immer wieder einige Meter zurück – keinen Schritt weiter!
Die Nacht verbringen wir im Camp unter freiem Himmel. Für Sterne habe ich aber nichts übrig. Ich schlafe einfach nur todmüde ein.
Zum Sonnenaufgang sitzen wir wieder in Lauerstellung am Lavasee und schießen unsere Speicherkarten voll. Die Dämpfe an manchen Stellen rauben mir bei der Umrundung fast den Atem. Mit dem Aufgang der Sonne beginnt aber leider unser Abstieg vom Vulkan.
Diesen explosiven Wahnsinn hinter mir zu lassen, lässt mich nachdenklich den Berg herunter laufen. Es ist eigentlich unvorstellbar, wie nah ich an den Lavasee kam. Welcher Vulkan war jetzt aber der bessere: Nyiragongo oder Erta Ale? Ich kann mich nicht entscheiden.
Danakil Senke – bunte Naturwunder
Obwohl nur 100 Kilometer den Erta Ale und die Dallol Region trennen, brauchen wir fast zwei Tage. Schon auf dem Weg begegnen wir langen Kamel-Karawanen, die sich auf dem Weg in die Danakil-Senke befinden, um dort Salz aufzuladen. Unser Konvoi muss sogar einige Minuten stoppen, um die Karawane über die Straße zu lassen.
Wir erreichen unser Camp und fahren noch einige Kilometer weiter. Vorbei an endlosen Karawanen bringt uns die Piste auf den Karumsee. Aus braunem Untergrund wird langsam der typisch weiße, gekachelte Salzuntergrund. Wir stoppen in der weißen Einöde und vor uns brodelt ein kleiner, kalter Salzsee. Zu Fuß laufen wir über den harten Untergrund, der aber unter jedem Schritt leicht nachgibt und Wasser zum Vorschein kommen lässt.
Die Nacht verbringen wir wieder im Freien. Windgeschützt hinter unserem Auto mit freiem Blick in den Himmel liegen wir eigentlich ganz bequem. Nachts werden wir aber durch Regen geweckt. Meine erste Notunterkunft hat leider kein Dach und ich flüchte mit meinem nassen Schlafsack in die Küche. Meine mittlerweile durchweichte Matratze lasse ich zurück. Mir wird auf einen kleinen, trocknen Stück Schaumstoff Asyl gewährt. Dennoch: ich schlafe schnell wieder ein und wache erst wieder zum Morgengrauen auf. Dank des Regens bleibt die Danakil-Senke noch den ganzen Tag „kühl“. Gerade einmal 34 Grad, anstatt der uns prophezeiten 48 Grad Celsius. Den Unterschied merke ich deutlich. Nach kurzer Fahrt kommen wir in Dallol an. Nochmal einige Minuten Fußmarsch auf wildem, bunten und felsigem Untergrund und ein besonderer Gemüsegarten liegt zu unseren Füßen. Wie Champignons sprießen die Formationen aus dem Boden. Ein Labyrinth wie von einem anderen Stern.
Ich überquere noch den letzten Anstieg und eine farbenreiche Landschaft erstreckt sich vor mir: rot, grün, braun, neongelb und alles, was dazwischen liegt. Es ist fast nicht zu glauben. Aus kleinen Springbrunnen spritzt dampfende Flüssigkeit und aus fragilen Gebilden strömen Schwefeldämpfe. Der Boden sieht porös aus, trägt aber die Scharen von Touristen. Hier und da knackt es unter den Schuhen und ich fühle mich schlecht, hier einfach so rum zu laufen. Dem surrealen Empfinden, sich auf einem anderen Planeten zu befinden, stört es aber nicht.
Durch eine Salzhöhle in der Nähe gelangen wir in den Hinterhof der Salzberge. Die schroffen, scharfkantigen Felsen, durch Witterung geformt, erinnern an den Tsingy Nationalpark in Madagaskar.
Diese hostile Umgebung hält uns nicht lange an Ort und Stelle. Als hätte ich wieder die Zeitmaschine aus Aksum aktiviert, werden wir in Minuten um 2500 Jahre zurückgeworfen. Als wir die Salzminen erreichen, erwartet uns ein endloses Meer aus Kamelen und Eseln.
Zwischendrin arbeiten die Menschen mit primitivsten Werkzeugen. Sie haben sich in den letzten tausend Jahren nicht verändert. Keine Maschine hilft und nur die reine Muskelkraft bewegt die Salzblöcke. Als große Schollen werden sie aus dem Boden heraus gebrochen, grob in Form geschlagen und dann in einheitliche 7kg-Blöcke geschabt. Für 4 Birr pro Block werden sie an die Karawanen verkauft, aufgeladen und für den inländischen Konsum in endlosen Kamelkolonnen abtransportiert. Jeden Kilometer gewinnt das Salz an Wert und in Mekele ist der Block schon 50 Birr wert.
Mit diesen letzten Eindrücken verabschiede ich mich aus der Danakil-Senke. Zurück gebeamt in die Neuzeit, besteige ich unseren fahrbaren Untersatz und wir fahren zurück nach Mekele.
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