Harar – schöne Gassen zum Verlieben

Die Addis-Djibouti-Eisenbahn raubte ihr einst die Bedeutung, aber an Atmosphäre hat Harar nicht verloren. Die Altstadt lädt zum Verlaufen ein und eine doch sehr touristische Tradition lässt keine Emotion offen. Mein Abstecher in den Osten führt mich in einen muslimisch geprägten Landesteil und in eine Stadt, die Stonetown an Schönheit und Verträumtheit den Rang abläuft.

Freundliche Kinder in Harar

Freundliche Kinder in Harar

Bunte Gassen und freundliche Menschen

Mein erster Eindruck von Harar lässt sich mit chaotisch beschreiben. Ich verlasse die Bushaltestelle und lande direkt auf dem Markt. Es ist die Hauptstraße vor den Toren der Altstadt. Ein riesiges Menschengewimmel. Ich habe nicht so viel Leben von der Stadt erwartet. Ein blau, bunter Bienenhaufen aus blauen Peugeot 404 Taxis, Bajaj, den lokalen Tuktuks und Verkäufern und Käufern. Als einstiger Knotenpunkt aller wichtigen Handelsstraßen in den Orient, lebte Harar von seinem blühenden Handel und beherbergte den größten und wichtigsten Markt am Horn von Afrika. Im Zuge des Baus der Bahnlinie Addis Abeba nach Djibouti wurde Harar im wahrsten Sinne des Wortes aufs Abstellgleis geschoben und umfahren. Die Strecke wurde über Dire Dawa geleitet; damals noch nicht einmal ein Dorf, ist es heute die zweitgrößte Stadt in Äthiopien. Harar verlor augenblicklich an Bedeutung.

Große Moschee von Harar

Große Moschee von Harar

Als Türöffner für den Islam in der Region war und ist Harar aber immer noch ein Dreh- und Angelpunkt für geistliche Gelehrte.
Ob Handelsstadt oder als Zentrum für den Islam, beides zeigt sich noch an jeder Ecke. In der ganzen Stadt verteilt sind Märkte mit zum Teil schönen Namen wie Schmugglermarkt oder der Recycling-Markt und Moscheen soweit das Auge reicht.

Es wird schon bald dunkel. Zusammen mit einem Kanadier gehe ich einer Restaurantempfehlung nach und bekomme ein essbares und leckeres Steak serviert. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so gut gegessen habe.

Shoa Markt bei Nacht

Shoa Markt bei Nacht

Die Stärkung wirkt Wunder und lässt den Elan zur Stadterkundung steigen. Das wahrscheinlich unmögliche Ziel, alle der über 390 verwinkelten und versteckten Gassen finden und ablaufen wird geboren. Die nächsten zwei Tage laufen wir Zickzack. Mal entscheiden wir nach Lust und Laune über die neue Richtung, mal fragen wir die Leute auf der Straße nach ihrer Empfehlung. Ein lustiges auf und ab in der kleinen Stadt entsteht. Zuerst finden wir den Fleischmarkt, dann das Rimbaud Haus und Museum. Mit einem Lolli besteche ich die Kassiererin und statt zwei zahlen wir ein Ticket.

Blick aus dem Rimbauds Haus & Museum

Blick aus dem Rimbauds Haus & Museum

Vor einem kleinen Laden lassen wir uns nieder und beobachten das Geschehen auf der Gasse. Freundliche und offene Menschen kommen vorbei. Ein Kind bietet mir seinen Lutscher an. Jeder der vorbei kommt und Englisch spricht, muss ein, zwei Sätze zwischen uns und den Ladenbesitzern übersetzen. Nach einer Weile brechen wir auf und suchen die sechs Stadttore. Es ist eine Freude, ohne Ziel und Karte durch die Altstadt zu ziehen. Ob wir die 99 Moscheen innerhalb der Stadtmauern alle gesehen haben? Gefühlt ja, gesehen eher nein. Die farbenfrohen Gassen bildeten zu sehr ein Labyrinth. Einige schöne Häuser haben wir aber gefunden.

Bunte Häuser in Harar

Bunte Häuser in Harar

Farbenfrohe Gassen in Harar

Farbenfrohe Gassen in Harar

Moschee innerhalb der Stadtmauern von Harar

Moschee innerhalb der Stadtmauern von Harar

Sehr angenehm stellten sich die Menschen dar. Kaum einer will was von einem. Ein ganz komisches Gefühl und ich brauche eine Weile, meine defensive Haltung, die in anderen Städten leider Gewohnheit wurde, abzulegen und nicht von jedem „Hallo“ ein Hintergedanken zu erwarten.

Shoa Tor und Markt in Harar

Shoa Tor und Markt in Harar

Wenn es dunkel wird

Geboren aus eine alten Tradition bietet Harar ein ungewöhnliches Spektakel und falls man Touristen sucht, dann findet man sie hier. Äthiopier und Ausländer zugleich werden abends magisch von den alten Mauern ausgespuckt und angezogen von den Hyänenmännern von Harar.
An zwei Orten in der Stadt kann man ab 19 Uhr seinen Mut zur Probe stellen. Nach einem langen Tag in der Altstadt, finde ich den Weg ohne Weiteres. Es wird immer dunkler, auf der Straße wird einem aufgelauert und der Weg gewiesen. Im Schein der Kopflampe laufe ich noch ein paar Meter vorbei an unscheinbaren Häusern. Plötzlich werde ich gebeten 100 Birr an eine dunkle Gestalt zu zahlen. Ich bin anscheinend nah dran. Aufregung, gemischt mit Seitenstraßen-Gefühl und Freude es gefunden zu haben, wechseln sich ab. Ich weiß schon, bevor ich um die Ecke laufe, ich bin nicht allein. Auf dem kleinen Platz blitzen mich Augen im Schein meiner Lampe an. Es sind drei Hyänen. Furchteregende Tiere. Das größte reicht mir bis zur Hüfte und ich bin groß. In Erwartungsstellung nach Fleisch tänzeln sie um einen Hyänenmann. Ich gehe neben einem anderen Touristen in gebührender Entfernung in Stellung. Wegrennen wäre sowieso sinnlos. Also entspanne ich mich ein wenig. Der Hyänenmann führt kurz vor, wie man sie füttert und überlässt uns das Feld. Mittlerweile haben sich sieben der Tiere eingefunden und gehen frech auf Jagd. Ich bin zweiter. Mit einem kleinen Stöckchen in der Hand knie ich auf dem Boden. Ein kleiner Happen wird mir auf die Spitze gelegt und schon ist es wieder weg; gierig herunter gerissen. Einen absoluten Adrenalin-Kick verpasst mir der Hyänenmann, als er mir das fleischbestückte Stöckchen in den Mund steckt. Näher will ich einer Hyäne definitiv nicht kommen. Trotzdem kann ich nicht sagen, ob sie Mundgeruch hat, ich bin mit anderen Eindrücken beschäftigt.

Hyänenfütterung

Hyänenfütterung

Zehn Minuten vergehen wie im Flug. Noch ein paar letzte Bilder schießen und ich trete mit einem Lächeln den geordneten Rückzug an. Eine Erfahrung, die ich in der Serengeti nicht ausprobieren möchte, aber jedem Hararbesucher empfehlen kann.

Frau in den Gassen von Harar

Frau in den Gassen von Harar

Abstecher in den Osten

Ich genieße den Abstecher in den östlichen Landesteil von Äthiopien. Die Altstadt von Harar ist in sich selbst eine Sehenswürdigkeit. Ohne Guide lässt sie sich wunderbar erkunden und erobert mein Entdeckerherz. Einfach mal hier und da niederlassen, die Atmosphäre genießen und entspannen. Die Menschen laden nur dazu ein.
Und wenn der Blutdruck dann doch etwas zu entspannt ist, kann man sich bei den Hyänenmännern eine gute Portion Adrenalin abholen.

Stadtmauern von Harar

Stadtmauern von Harar

Use me - Mülleimer als Blumentopf

Use me – Mülleimer als Blumentopf

Schüchterne Katze

Schüchterne Katze

Eine Antwort zu “Harar – schöne Gassen zum Verlieben

  1. Ich fand Harar auch super. Die verwinkelten Gassen und die gewaltige Farbenpracht haben es in sich. Allerdings fand ich die Leute in Harar oft etwas aggresiv. Während es im Norden bei uns immer ganz locker zuging, hatten wir in Harar öfters mal Streitereien mit Leuten, die uns betrügen oder zumindest abzocken wollten. Das hat den Spass etwas getrübt.

    Das Füttern der Hyänen ist meines Wissens übrigens keine wirklich alte Tradition, sondern erst etwa 30 oder 40 Jahre alt. So stand das zumindest in meinem Reiseführer. Macht aber nichts. Den Tiere so nahe zu sein, ist ja trotzdem eindrücklich.

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