Ohne Pause auf der Couch Schiras

Müde reibe ich mir die Augen. Die ganze Nacht schon sitze ich im Bus aus Bam Richtung Schiras. Ich versuche einfach zu schlafen. Ein Blick auf die Karte lässt meine Hoffnungen auf eine langsame Busfahrt verblassen. Der Bus kommt einfach zu früh in Schiras an. Es ist unwirkliche 3 Uhr morgens als ich schlaftrunken aus dem Bus stolpere und mir wie jedes Mal schwöre, keine Nachtfahrten mehr zu machen. Es ist nicht nur mitten in der Nacht, sondern auch noch schweine kalt. Ein Hotel lohnt sich nicht mehr; Nachts um die Häuser ziehen noch weniger. Ich nehme Platz im Wartesaal des Busterminals. In der Nähe ist eine Steckdose und ich lade „mich“ erstmal auf. Kurze Zeit später nimmt ein Iraner neben mir den Platz ein. Er freut sich gewaltig über meine Anwesenheit und lässt mich an seinem Leben teil haben; seinen Hass auf Araber und seine wilden Bilder. Ich lasse es einfach über mich ergehen. Besser als nichts tun. Kurz vor Sonnenaufgang verabschiede ich mich. Endlich habe ich einen klaren Gedanken fassen können und setzte den neuen Plan um: Auf nach Persepolis!

Persepolis

Persepolis

Palast der Superlative

Ich stolpere über die Straße, total verwirrt vom Layout des Busterminals, und treffe auf einen Busfahrer. Nach einigem hin und her mit ihm bin ich mir recht sicher, dass ich im richtigen Bus bin. Er lässt mich einsteigen. Ich bin der erste Fahrgast. Im Gang steht ein Gaskocher und das Teewasser brodelt vor sich hin. Ich genieße die Wärmequelle und zweifle weniger an meinem Verstand.

Tor der Nationen

Tor der Nationen

Mit dem Sonnenaufgang fahren wir los oder auch einfach nur weil er voll ist. In Marvdasht leert sich der Bus. Ich frage einen Mitfahrer nach der Richtung. Wir besteigen zusammen ein Sammeltaxi Richtung Norden. Irgendwann sitze ich alleine im Taxi und werde verdutzt angeschaut. Wo ich denn hin wolle? Persepolis bitte! Aber das kostet dann mehr, da will doch keiner zu dieser Uhrzeit hin. Ich schaue ihn verdutzt an. Ich will dort hin. Kurz vor Öffnung taumle ich immer noch leicht ungläubig und schlaftrunken aus dem Taxi. Ich warte bis der Kassierer sich eingerichtet hat und bezahle mein Ticket. Ich laufe den Boulevard hinunter. Vor mir wächst die mächtige Palastterrasse in den Himmel.

Überblick über Persepolis

Überblick über Persepolis

Es ist kurz nach 8 Uhr, als ich die noch mit Raureif überzogenen Stufen zur Palastanlage überwinde. Meine Schuhe hinterlassen Spuren und es fühlt sich an, als hinterlassen sie auch die Kälte und die Anstrengungen der letzten Nacht. Ich laufe der Sonne entgegen und stehe vor dem „Tor aller Länder“. Die Fantasie kann hier nur wage Andeutungen über das einst mächtige Tor machen. Meine Schritte folgen der Prozessionsstraße und mir wird langsam bewusst, welch eine großartige Anlage vor mir liegt. Ich erkunde das Areal, streife um die Tempel und Säle. Das Grabmal Artaxerxes‘ III. lädt regelrecht zum Ausruhen ein. Von der Erhöhung aus genieße ich das Panorama über die Landschaft und die Palastanlage.

Säule in Persepolis

Säule in Persepolis

Die „Stadt der Perser“ schläft noch. Die Säulen stehen verlassen und werfen lange Schatten, als ich durch über den wundervoll verzierten Treppenaufgang zur Apadana aufsteige. Die Säulen ragen fast 20 Meter in die Höhe und erst als ich eine künstlerische Darstellung der Anlage sehe, wird mir das volle Ausmaß bewusst. Mehr als Staunen kann man nicht.

Naqsh-e Rostam

Naqsh-e Rostam

Als die ersten Touristenbusse eintreffen, ergreife ich die Flucht und fahre zum Naqsh-e Rajab und Naqsh-e Rostam, wo sich weitere Königsgräber befinden. Ich erreiche nun auch endlich meinen nächsten Couchsurfer, beziehungsweise er mich mit den Worten:

Hi. How are you?

Shiraz – Couch mit Action-Garantie

Ich kehre nach Schiras zurück. Ich springe kurz nach dem Koran-Tor aus dem Bus. Nach der ersten SMS von meinem Couchsurfer ist es ruhig geworden. Kurz teile ich ihm noch meine Pläne mit und beschließe nun, das Grab des Hafis zu besuchen. Ich wandere durch den Garten und fühle mich in einer anderen Welt. Es ist ruhig. Eine gelassene Atmosphäre. Die Orangenbäume verstrahlen einen leichten Duft und dann stehe ich vor seinem Grab.

Grab von Hafez

Grab von Hafez

Es ist eine Freude, den Menschen im Park zuzusehen und so nehme ich Platz am Rande des Innenhofs. Meine Anwesenheit zieht hier und da Leute zu mir. Sie freuen sich über meine Anwesenheit, wollen nur kurz Englisch üben oder sich nach meinem Wohlbefinden erkundigen. Es klingelt wieder in meiner Tasche und reißt mich aus dem Träumen:

Ich werde gehen zum anderen Grab in 30 Minuten mit dem Auto

Orangen am Grab von Hafez

Orangen am Grab von Hafez

Ich setze mich langsam wieder in Bewegung und mache mich auf zum Grab von Sadi. Ich warte eine ganze Weile, bevor Ahmed und Reza auftauchen. Mir wird schlagartig klar, es werden anstrengende Tage. Die Kommunikation ist wieder Internetbasiert und dank mittelmäßiger Übersetzung gerade so möglich. Einfache Dinge werden schon hier zum Martyrium.

Wir schnellen über die Grabanlage und fahren kurz zum Koran Tor, bevor ich die weiße Flagge hisse. Ich bin zu müde für Zick-Zack-Fahrten. Nach einem Tee schlafe ich eine Runde auf meiner neuen Couch und wir brechen nochmal in die Stadt auf. Ahmed und Reza treffen voll meinen Geschmack und führen mich zielsicher zu einer Eisdiele. Ich probiere die lokale Spezialität Bastani & Falude Shirazi: eine Eisart aus Stärke, Sirup und Rosenwasser mit einem Schuss Limettensaft.

Ahmed und Reza

Ahmed und Reza

Arg-e Karim Khan

Arg-e Karim Khan

Mit diesem Traum an Eiscreme geht der lange Tag zu Ende. Ein weiterer Traum beginnt schnell auf meiner Couch.

Party Shirazi

Nach unserem minimalistischen Frühstück, brechen Ahmed, Reza und ich auf in die Stadt. Wir besuchen den Bazar Vakil und die Vakil Moschee. In einem kleinen Restaurant lassen wir uns zum Mittagessen nieder. Es wird Dizi serviert. Ich habe es noch gut aus Yazd in Erinnerung, aber irgendwie ist es hier anders. Jeder hat so seine eigenen Vorlieben und Methoden, Dizi zu essen. Heute wird eher etwas mehr geditscht als gemixt.

Gewürzladen am Bazaar Vakil

Gewürzladen am Bazaar Vakil

Oase im Bazaar Valik

Oase im Bazaar Valik

Bevor ich mich zu meinem nächsten Couchsurfer-Date bringen lasse, besuchen wir noch eine Motorshow. Ein bizarrer Ort: von Eleganz und Detailversessenheit eingenommen, präsentieren sich hochpolierte und liebevoll restaurierte Autos und deren Besitzer. Ich habe so manch einen Volkswagen noch nie gesehen und wundere mich, wie mir diese Autos bisher entgehen konnten.

Motorshow in Schiras

Motorshow in Schiras

Im großen Gegensatz zu dem Lärmpegel zur Motorshow liegt der Afif-Abad Garten an einer ruhigeren Ecke. Ich lasse mich hier absetzen und warte auf Nilufar und ihren Verlobten. Ich habe es mir auf einer Bank gemütlich gemacht und mein Buch ausgepackt. Kurze Zeit später schleicht ein junger Herr um mich herum. Schaut mich an, tippt in sein Handy, macht ein paar Schritte auf mich zu und überwindet sich schlussendlich:

Hello! What is your name?

Ich antworte und er beginnt das gleiche Spiel wieder von vorne. Nur mal kurz Hallo sagen, kurz den Fremden begrüßen. Mir ist das schon oft passiert. Ich vertiefe mich wieder in mein Buch. Plötzlich steht eine Gruppe Mädchen vor mir und das Spiel beginnt von neuem. Nur dieses Mal mit Kamera und Fragebogen. Als ein Projekt für die Uni wird es mir vorgestellt. Ein Mädchen schüchterner als das andere, stellen sie mir jedoch immer die gleichen Fragen. Mal müssen die Fragen abgelesen werden, mal sind sie im Kurzzeitgedächtnis einstudiert und schnell heruntergeleiert. Englisch für Anfänger. Nilufar hingegen ist  ein Sprachtalent. Ich genieße es nach langen Tagen Kommunikation mit Handyübersetzungen und gebrochenen Sätzen eine ordentliche Konversation zu führen. Ich kann mir sogar die Sprache aussuchen: Deutsch, Englisch, Französisch. Eine Wohltat für meine Sinne.

Bagh-e Narandschestan

Bagh-e Narandschestan

Beide begleiten mich in das kleine Museum und wir spazieren durch den niedlichen Garten und lassen uns in einem kleinen hippen Café nieder. Erst als es schon dunkel ist, brechen wir auf. Ich werde nach einer kleinen Irrfahrt durch die Stadt an Ahmed und Reza zurück übergeben. Sie haben sich etwas besonderes für den Abend ausgedacht. Mit der halben Familie – Schwestern, deren Ehemänner und Kinder im Gepäck, fahren wir los und kommen nach einer gefühlten Ewigkeit in einem Restaurant an. Wir nehmen in der Nähe der Bühne platz. Die Band spielt und singt live. Schnell werde ich als Deutscher enttarnt und das ganze Restaurant johlt, wenn ich mal wieder von der Band zum Tanzen aufgefordert werde. Der Security fordert mich dann immer wieder zum Setzen auf. Ein kleines Spiel zwischen Band und dem Sittenwächter. Ja nicht zu ausgelassen feiern! Erst als die Uhr ein Uhr nachts zeigt, neigt sich der Abend der „Party Shirazi“ dem Ende zu.

Party am Abend

Party am Abend

Der Iran hat sich die letzten Tage in Schiras von seiner spannend abwechslungsreichen Seite gezeigt. Schüchterne Studenten, die gerne ihre Sprachkenntnisse ausprobieren, zu ausgelassene Partys; es war alles dabei.

Ich genieße den nächsten Tag in aller Ruhe ohne Couchsurfer und besuche noch die weiteren Sehenswürdigkeiten der Stadt, bevor ich pünktlich zu Silvester nach Isfahan aufbreche. Hier wartet schon die nächste Party auf mich!

Imamzadeh-ye Ali Ebn-e Hamze

Imamzadeh-ye Ali Ebn-e Hamze

Nasir ol Molk Moschee

Nasir ol Molk Moschee

Imamzadeh-ye Ali Ebn-e Hamze

Imamzadeh-ye Ali Ebn-e Hamze

1001 Nacht als Karte

    Wie teuer ist es im Iran?

    Für alle Reiseinteressierten gibt es auf der Seite Wie teuer ist die Welt? – Iran eine Zusammenstellung der Kosten für die Reise in den Iran.

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