Einzigartig, wahnsinnig und lebhaft! Diese drei Worte beschreiben am besten die Bull-Jumping-Zeremonie des Banna Stammes, der absolute Höhepunkt meines Besuches im Tal am Unterlauf des Omos. Nach einigen harten Tagen in der Region kommt mir dieser Zufall gerade recht.
Bull Jumping der Banna
Das Highlight zum Schluss. Der Markt in Keyafer hat mir eine kleine, aber sehr wichtige Information zukommen lassen. Es gibt nicht nur das Rinderspringen im Hamer-Stamm in Turmi, sondern auch bei den Banna. Mein Glück scheint zumindest hier einmal zu funktionieren. Am Tag nach dem Markt in Keyafer ist das Bull Jumping in der Region. Seit drei Wochen gab es keins mehr und ich bekomme die Chance die Zeremonie zu sehen.
Zusammen mit Yuko, einer Japanerin, organisieren wir uns einen Guide in Keyafer. Dieser organisiert uns zwei Motorräder und am Freitag Nachmittag gegen 13 Uhr fahren wir los. Zuerst noch auf geteerter Straße, biegen wir bald auf eine Piste ab. 13 Kilometer später biegen wir nochmals auf eine rauere Straße ab, die von Regenerosion gebeutelt ist. Die letzten zwei Kilometer werden unsere Motorräder durch den Busch gequält bis wir nicht mehr weiter kommen. Es ist hügelig, steinig und zu viele Bäume und Gestrüpp. Wir laufen die letzten Meter und werden von den Trötenklängen der Tänzerinnen geleitet.
Unser Guide Shigo führt uns zu den Familienältesten und wir nehmen Platz. Sofort wird uns das selbstgebraute, heiß servierte Bier, angeboten. Die ersten Male nehme ich noch einen Schluck, danach täusche ich nur noch auf anraten unseres Guides an. Shigo verschwindet für eine Weile und verhandelt mit dem Vater des Bull Jumpers über unseren „Eintritt“ und das Recht so viele Fotos wie wir wollen zu machen. Wir besuchen die Familie in ihrer Hütte und Shigo erklärt uns ein wenig die Traditionen.
Der Bull Jumper taucht hier und da immer mal wieder auf. Er hat eine ernste Miene aufgesetzt und wirkt sehr angespannt. Ich persönlich wäre es auch, wenn ich den Druck hätte, vor hunderten von Menschen über Bullenrücken rennen zu müssen. Diese Mutprobe muss jeder junge Mann bestehen, bevor er sich eine Frau suchen und heiraten darf.
Die Frauen trinken sich mit dem Bier einen gewissen Rausch an und tanzen und singen stundenlang im ganzen Umfeld des Festgebietes. Ab 15 Uhr trudeln immer mehr Gäste ein. Sie werden von der Familie abgeholt und mit Bier begrüßt und eingeladen in den engeren Festkreis zu kommen.
Plötzlich verschwinden alle Frauen in eine Richtung und kämpfen regelrecht um Peitschenstöcke, die die Peitscher mitgebracht haben. Die Peitscher sind die wichtigsten Personen der ganzen Zeremonie.
Je mehr Peitschenstöcke eine Frau abbekommt, desto glücklicher ist sie. Sie zerren und schlagen sich im Anschluss um die Peitscher, die mit einem Stock den Frauen jeweils einmal auf den Arm oder Rücken schlagen. Frauen lassen sich auspeitschen, um dem Bull Jumper zu beweisen, dass sie ihm treu sind und ihn unterstützen werden. Die Narben sind ein Schönheitssymbol. Ich glaube, der Alkohol lässt die Schmerzen kurzzeitig erträglich werden.
Die Peitscher kommen nun leider auf die Idee sich nicht an die allgemeine Absprache zu halten und verlangen von unserem Guide mehr Geld, ansonsten würden sie uns des Ortes verweisen lassen. Leider hat die Familie keinen Einfluss in dieser Angelegenheit und wir müssen uns beugen und nochmals Geld in den Topf werfen, um die ganze Zeremonie sehen zu können. Ein bitterer Nebengeschmack eines sonst so schönen Tages. Selbst unser Guide ist sichtlich genervt und findet das Verhalten unangemessen. Ich bezeichne es mal als reine Geldgier, wie sie einem leider oft hier im Omo Tal begegnet.
Es folgt der Höhepunkt des dreitägigen Festes, das gerade erst so richtig beginnt. Die Rinder werden auf einer nahegelegenen Wiese zusammengetrieben, ein Kind wählt ein kleines Rind aus, welches symbolisch durch die Tür der Ehe geführt wird.
Danach verlagern sich die Tänze und Gesänge der Frauen auf die Wiese mit den Rindern. Sie werden im Kreis getrieben und nach einer Weile in Reih und Glied gebracht. Es ist ein ungleicher Kampf. Die Tröten scheuen die Rinder, die Tänze machen sie nicht ruhiger und dann werden sie auch noch im Kreis getrieben.
An den Schwänzen gepackt, an den Hörnern festgebunden und zurecht gezerrt bilden die 12 Rinder eine Linie. An deren Ende macht sich der Bull Jumper bereit.
Nackt und im Kleid seiner Geburt, versteckt er sich noch hinter seinem besten Freund. Dieser schiebt ihn dann vor und mit Anlauf springt er auf den ersten Bullen und rennt über die Rücken der anderen. Auf dem Rückweg sind die Bullen aufgescheucht und machen ihm das Leben schwerer. Einer büchst aus und rennt davon. Nach einigen Minuten ist er wieder in die Reihe eingebaut und der Bull Jumper kann wieder losrennen. Er rutscht ab und fällt. Dieser Versuch zählt für ihn nicht und er muss noch mal starten. Insgesamt vier erfolgreiche Male muss er die Rücken der Bullen queren. Die Sonne geht langsam unter, die Dämmerung setzt ein und die Luft füllt sich mit goldener Farbe.
Mit seinem letzten Schritt werden die Bullen losgelassen und rennen davon. Einige Menschen gehen in Deckung. Nur das kleine Rind wird noch für die Segnung etwas länger festgehalten, danach aber auch laufen lassen.
Dem Bull Jumper wird gratuliert und die Gäste fangen alle an zu tanzen. Die Männer bilden eine Reihe etwas höher am Hang und springen auf und ab. Die Frauen tanzen und rennen einige Meter auf die Männer zu. Diese Zeremonie zieht sich bis zum Sonnenuntergang und bis tief in die Nacht.
Für uns wird es Zeit, das Feld zu räumen. Wir müssen noch mit dem Motorrad durch den Busch zurück fahren. Nach etwas über einer Woche in der Region ist das Bull Jumping das wirkliche Highlight: Einzigartig, wahnsinnig und lebhaft!
Tolle Reportage, Dominik. Ich finde solche Rituale super spannend. Schade, dass sie durch die beschriebene Geldgier oft einen fahlen Nachgeschmack haben.