Die letzten Tage sind noch einmal hart. Ich entscheide mich, aus dem Süden Äthiopiens nicht mehr nordwärts nach Addis Abeba zu fahren, sondern meinen Weg weiter Richtung Süden fortzusetzen. Beide Richtungen haben einen gemeinsamen Nenner: einen Flughafen. Ich werde Afrika verlassen – mein Resümee!
Auf dem Weg zur Grenze
Ich habe noch von der Grenzüberquerung nach Ruanda ein gültiges East African Visa in der Tasche. Wieso nicht Nairobi besuchen. Die Motivation ist schon recht am Boden, der Abschied aus Afrika steht bald an. Äthiopien legt mir zum Abschluss auch noch ein paar imaginäre Steine in den Weg. Nach dem absoluten Höhepunkt mit dem Rinderspringen („Bulljumping“) der Banna trete ich den Rückweg an. Nächste Station Karat Konso. Von dort fährt ein direkter Bus über Yabelo nach Moyale. Ich und Yuko erreichen Konso am Samstag. An der Bushaltestelle fragen wir dreimal nach, ob ein Bus am nächsten Tag fährt. Jedes Mal wird dies bejaht. Ich frage explizit nach Sonntag und noch spezieller nach Ostersonntag. Dieser steht nämlich an. Es fährt definitiv ein Bus, lautet die Antwort. Wir sind also zur angegebenen Zeit, 5 Uhr morgens, an der Bushaltestelle. Die ist aber geschlossen. Nach einer Weile räumt jemand die Einfahrt frei und ein einziger Bus erscheint. Es ist der Bus nach Moyale.
Dieser Bus aber wird selbst nach sechs Stunden warten einfach nicht voll und lässt uns wieder aussteigen. Am Montag soll es dann aber wirklich weiter gehen. So geschieht es auch. Zum Glück, denn das einzige Buch was ich im Gepäck habe, habe ich brav zu Ostern ausgelesen. Noch einen Tag in Konso hätte ich nicht überlebt. Zu sehr hat der Süden an meinem Vertrauen in die Busse und die Menschen geknappert ,da ich jedes Mal mangelhafte Aussagen erhalten habe.
Dafür macht es jetzt der Busfahrer wieder wett. In Yabelo halten wir zum Frühstück. Seine Schwester und er laden mich zum Tipps (Fleischstücke auf einem kleinen Stöfchen) ein. Fasten ist endlich vorbei und es gibt wieder Fleisch im Überschuss. Die Einladung nehme ich gerne an und meine Laune steigt mit jedem Kilometer, den ich näher an die Grenze komme. Selbst ein geplatzter Reifen verdirbt mir nicht die Stimmung. Nur mein Energie-Level nimmt drastisch ab. Nach drei Stunden schütteln und rütteln und vier Stunden vergleichsweise ruhiger Fahrt erreichen wir Moyale. Die Hälfte der Fahrgäste sitzt nur noch zugedröhnt von Chat im Bus und ich bin froh, aussteigen zu können.
Wir treiben auf dem Fußmarsch zur Grenze noch einen Geldwechsler auf, der uns zwar Geld wechselt, aber nur zu einer miesen Rate. Äthiopische Banken tauschen keine Birr in Fremdwährung zurück und so sind wir ihnen ausgeliefert.
Die Grenzüberquerung läuft ohne Schwierigkeiten ab. Und schneller als ich gedacht habe, stehe ich in Kenia.
Die Grenzstadt ist auf äthiopischer Seite definitiv ansprechender, auch wenn dies für eine Grenzstadt schon weit gegriffen ist. Es ist staubig und laut. Jedes vorbeifahrende Fahrzeug erzeugt einen größeren Drang duschen zu wollen, auch wenn es hier wahrscheinlich Wasserverschwendung ist. Die nächste Staubwolke kommt bestimmt. Wir kaufen zwei Bustickets nach Nairobi. Direkt!
African roads are…
Es soll ein neuer, langer Tag werden. Um vier Uhr öffnen sich die Tore unseres Hotels und wir werden in die dunkle Nacht entlassen. 100 Meter weiter ist die Hektik der Bushaltestelle schon zu spüren. Durch die Fenster des Busses schimmert etwas Licht und leuchtet die Umgebung minimal aus. Wir suchen den Busfahrer und schließen unser Gepäck im Bauch des hässlichen Ungetüms ein. Wir zwengen uns durch die enge Tür, vorbei an Platz suchenden Leuten in den hinteren Teil des Busses. Unsere Plätze sind belegt; Yuko gewinnt ihre Wette. Neue Plätze werden uns zugewiesen. Natürlich nicht mit dem „garantierten“ Fensterplatz. Eingeklemmt zwischen den Sitzen rumpeln wir kurz vor Sonnenaufgang los. Keine zehn Kilometer ist der Bus mit uns gefahren und wir werden an Checkpoint Nummer 1 angehalten. Das Gepäck wird kontrolliert und die Pässe der Fahrgäste.
Dieses Spiel soll sich auf den nächsten 777 Kilometern noch 10 Mal wiederholen. An weiteren sechs Kontrollstellen werden wir durchgewunken. Mühsam und langwieriger geht es kaum vorwärts. Die Strecke ist teilweise geteert, oft Schotterpiste. Dies hält den Fahrer meines letzten Überlandbusses in Afrika nicht davon ab, in übertriebenem Tempo vorwärts zu preschen. Stundenlang werden wir durchgerüttelt. Es reicht am Ende für ein zusätzliches Kissen auf meinem Rückflug: African roads are a real pain in the ass! – Mein Hintern schmerzt ausreichend nach 16 Stunden Busfahrt.
Doch nun habe ich meine letzte Station auf meiner Afrikareise erreicht: Nairobi.
Mein Afrika – Der Kreis schließt sich
Ich bin zurück in der Stadt, in der mein Weg seinen Lauf nahm. Nach Madagaskar betrat ich hier zum ersten Mal auf dieser Reise den afrikanischen Kontinent. Ich komme zurück auf den Flughafen, der mich in das Abenteuer meines Lebens katapultierte. Jetzt schließt sich der Kreis. Es ist schon fast ironisch, dass es hier ist, wo ich die letzte Seite meines Tagebuches erreiche, aufschlage und mein letztes Erlebnis auf die Seite quetsche. Das Buch ist voll mit tollen, traurigen, ermunternden, freudigen und lebenswerten Momenten. Es war nicht immer leicht, aber das Leben muss manchmal nicht einfach sein, wenn man es erleben möchte. Mein Weg war gesäumt von Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Ich erkundete die Vergangenheit der Orte, traf neue Freunde und bestand die Herausforderungen des Jetzt und blicke mit Freude nach Vorne.
Meinen Weg bestritt ich selten alleine. Begleitet von vielen wunderbaren Persönlichkeiten und unterstützt von meiner Familie und Freunden zu Hause fügte sich das Reisepuzzle mit jedem Tag mehr zusammen. Geleitet durch großartige Empfehlungen und wunderbare Tipps formte sich an jedem neuen Tag ein größeres Bild. Universelle Puzzleteile ließen mich spontan und unvermittelt neue Pfade einschlagen und manchmal fühlte es sich an, als würde man nachts am Strand liegen. In der Ferne morste mir ein Leuchtturm mein Ziel entgegen, warnte mich vor Unwegsamkeiten und gab mir eine Richtung vor, ohne mir die Freiheit des Meeres zu nehmen. Und dann schaue ich in die Sterne. Es ist ein glasklarer Himmel und tausende Sterne funkeln mir verlockend entgegen. Plötzlich eine Sternschnuppe. Ein Wunsch. Noch eine! Ein weiterer Wunsch. Es klingt traumhaft, wenn die Wellen des Meeres mich nicht wieder in die Realität zurückholen würden: Ich bin in Nairobi und 5 1/2 Monate sind zu Ende.
Als ich in Mauritius startete, musste ich mich langsam an den Kontinent herantasten. Madagaskar ließ mich schnell in meinen Reisemodus verfallen und änderte schon zum ersten Mal meine Reiseroute bedeutsam. Anstatt von Tansania nach Ruanda zu reisen, entglitt ich nach Süden, nach Mosambik, und zu viel Abenteuer ließen mich von Malawi absehen. Zurück in Tansania zog es mich nach Westen. Spontane Planänderungen ließen mich Burundi erleben und zurück auf meinem groben Pfad in Ruanda, folgte ich einer wahnsinnigen Idee und erfüllte mir meinen Traum, den Kongo auf Stanleys Spuren zu erkunden. Mit Äthiopien tauchte ich nochmal in die frühe Geschichte Afrikas ab. Nun schließt sich der Kreis und ich fliege nach Hause. Würden Geschichten was wiegen, müsste ich ein Containerschiff mieten. Mit großartigen Erinnerungen im Gepäck sitze ich nun am Flughafen und lächle.
Danke Afrika!
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